BVerfG: Zivilgerichtsbarkeit verkennt Presse- und Meinungsfreiheit, 1 BvR 927/08

1. Während die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist, ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet hier nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an.

2. Die streitgegenständliche Äußerungen bildet nicht den Schwerpunkt des Artikels, sondern ihr kommt nur eine illustrierende Bedeutung im Rahmen eines allgemeinen Berichts über das Skigebiet Arlberg und sein Publikum zu. In dem Bericht wird im wesentlichen nur geäußert, was jeder Besucher der Skiregion Arlberg ohnehin beobachten kann.

3. Ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung hingegen nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt, das die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation - etwa über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch - garantiert.

Tatbestand

1 1. Die Beschwerdeführerin verlegt die Zeitschrift „Bunte". In der Ausgabe Nr. 7/2007 vom 8. Februar 2007 dieser Zeitschrift veröffentlichte die Beschwerdeführerin einen Bericht aus dem Reiseteil, der sich mit der Skiregion Arlberg beschäftigt. In diesem Zusammenhang wird die Landschaft beschrieben, über die Hotels und deren Eigentümerfamilien berichtet sowie über die große Zahl prominenter Personen informiert, die hier ihren Urlaub verbracht haben oder regelmäßig verbringen. Unter einer - nicht angegriffenen - Abbildung von Prinzessin Caroline von Hannover, der Klägerin des Ausgangsverfahrens (im folgenden: Klägerin), die dort in Skikleidung und mit Skiern über den Schultern abgebildet ist, heißt es:

2 DAUERGAST Caroline von Monaco fährt jedes Jahr in Zürs Ski – meist mit Familie. Sie gibt sich unauffällig und trägt deshalb ihre Skier selbst.

3 Im Text heißt es:

4 Ein paar Kilometer weiter: das sportlich-elegante Zürs. Die vertraute Terrasse des „Lorünser". Dort gibt es wie eh und je Mittagsbüfett mit köstlichen Salaten. Das gehört dazu wie jedes Jahr die hier ganz unauffällig auftretende Caroline im Skianzug...

5 2. Die Klägerin wandte sich gegen diese beiden Textveröffentlichungen. Nachdem eine Abmahnung von der Beschwerdeführerin zurückgewiesen worden war, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht, durch die der Beschwerdeführerin nur die obige zweitgenannte Äußerung untersagt wurde. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin untersagte das Kammergericht der Beschwerdeführerin zusätzlich auch die erstgenannte Äußerung. Diese Entscheidungen greift die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde nicht mehr an, nachdem sie sie diesbezüglich zulässigerweise teilweise zurückgenommen hat.

6 In dem gemäß § 926 ZPO erzwungenen Hauptsacheverfahren verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin durch angegriffenes Urteil dazu, die Verbreitung der beiden Äußerungen zu unterlassen. Es begründet dies damit, dass die Veröffentlichung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstelle, weil damit unzulässig in ihre Privatsphäre eingegriffen werde. Die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin einerseits und der Pressefreiheit der Beschwerdeführerin andererseits falle zu Gunsten der Klägerin aus. Die Wortberichterstattung darüber, wo die Klägerin ihren Skiurlaub verbringe, ob sie ihre Skier selber trage und ihre Motivation dazu, sowie, wo sie regelmäßig zum Mittagessen einkehre, betreffe selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs weder einen Vorgang von allgemeinem Interesse noch ein zeitgeschichtliches Ereignis. Die streitgegenständlichen Äußerungen gingen darüber hinaus mitzuteilen, dass die Klägerin in einem bestimmten Skiort ihren Urlaub verbringe, sie offenbarten vielmehr weitere Einzelheiten der Urlaubsgestaltung. Die Nennung von Hotelnamen und bestimmten Lokalitäten könne im Übrigen dazu beitragen, interessiertes Publikum erst an den Ort zu lotsen, an dem die Klägerin – schon nach dem Inhalt der streitgegenständlichen Berichterstattung – von öffentlicher Aufmerksamkeit gerade unbehelligt bleiben möchte. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht gegen ihren Willen als Werbeträger herhalten müsse.

7 3. Das Kammergericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin nach Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch angegriffenen Beschluss zurück. Zur Begründung führt es an, dass die streitgegenständlichen Äußerungen die Privatsphäre der Klägerin unzulässigerweise beeinträchtigten, weil sie Einzelheiten dazu enthielten, wie sich die Klägerin im Urlaub verhalte. Der Bericht gehe über eine Beschreibung des Ortes Zürs und die bloße Mitteilung, dass die Klägerin dort ihren Urlaub verbringe, hinaus.

8 4. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GG. Die Entscheidungen des Landgerichts und ihm folgend des Kammergerichts beruhten auf einer grundlegenden Verkennung des durch die Meinungs- und Pressefreiheit gewährten Schutzes beziehungsweise auf einem geradezu leichtfertigen Umgang mit den grundrechtlich geschützten Positionen der Beschwerdeführerin. Die Instanzgerichte hätten eine nähere Würdigung des streitgegenständlichen Berichts im Hinblick auf seinen Informationsgehalt unterlassen und im Rahmen der Abwägung dem Urlaubsschutz der Klägerin einen automatischen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Allgemeinheit eingeräumt. In dem hier maßgebenden Bericht gehe es vorrangig nicht um die Beschreibung einer Szene des Urlaubs als Teil des Privatlebens. Maßgeblich für die rechtliche Bewertung sei vielmehr der gesamte Beitrag, der sich intensiv mit der Skiregion Arlberg beschäftige und über die große Zahl Prominenter informiere, die hier ihren Urlaub verbracht hätten oder regelmäßig verbringen. Welche Interessen der Klägerin hier im Raume stünden, die Abwägungsrelevanz besäßen, würde nicht explizit genannt. Die Informationen der beanstandeten Äußerungen müssten insoweit als belanglos bezeichnet werden, als sie die Schwelle zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erreichten - unterstellt, die Privatsphäre sei überhaupt berührt. Der pauschale Hinweis der Instanzgerichte, dass auch der Urlaub dem grundsätzlich geschützten Kernbereich der Privatsphäre von prominenten Personen zugeordnet sei, vermöge überwiegende Belange des Persönlichkeitsschutzes nicht ohne weiteres aufzuzeigen. Die Äußerungen teilten nur Beobachtungen mit, deren Wahrnehmung typischerweise durch die Öffentlichkeit des Ortes ermöglicht werde. Der streitgegenständliche Artikel befasse sich primär mit einer touristischen Thematik und erwähne prominente Personen und ihre Hotels nur und gerade in diesem Zusammenhang. Das Landgericht habe in nicht nachvollziehbarer Weise den Gesichtspunkt zu Gunsten der Interessen der Klägerin berücksichtigt, dass die Klägerin nicht gegen ihren Willen als Werbeträger herhalten müsse. Es handele sich aber bereits nicht um Werbung, wenn redaktionell über Urlaubsregionen berichtet werde.

9 Art. 5 Abs. 1 GG werde weiter dadurch verletzt, dass das Landgericht das begehrte Verbot ausspreche, obwohl es ausdrücklich dahinstehen lasse, ob im Rahmen einer Berichterstattung darüber, welche Urlaubsorte und Hotels von Prominenten geschätzt würden, eine Erwähnung der Person der Klägerin gerechtfertigt sein könne. Dies sei nicht mit dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines schonenden Ausgleichs widerstreitender Grundrechte zu vereinbaren. Die Beschwerdeführerin brauche für die tägliche Redaktionsarbeit Klarheit darüber, ob und vor allem welche der angegriffenen Äußerungen von der Berichterstattungsfreiheit umfasst seien.

10 Die Ausführungen des Kammergerichts ließen erkennen, dass es den Satzbestandteil „Caroline von Monaco fährt jedes Jahr in Zürs Ski" möglicherweise für zulässig erachtet hätte. Dann hätte konsequenterweise auch nur der letzte Bestandteil „meist mit Familie" vom Verbot umfasst werden dürfen. Es fehle auch eine Begründung dafür, warum die Äußerung, mit wem die Klägerin ihren Urlaub verbringe, unzulässig sein soll. Auch dies widerspreche dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines schonenden Ausgleichs widerstreitender Grundrechte.

11 5. Die Klägerin hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Die Justizbehörde des Landes Berlin hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

Entscheidungsgründe

BVerfG, Urteil vom 08.12.2011, 1 BvR 927/08

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