1. Zur bloßen Abrufbarkeit einer im Internet verbreiteten Äußerung muss zur Begründung eines Gerichtsstands nach § 32 ZPO hinzukommen, dass die als Rechtsverletzung beanstandete Äußerung einen deutlichen Bezug zum Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite, Recht der Freiheit der Berichterstattung andererseits - nach den Umständen des konkreten Einzelfalls bereits eingetreten ist oder noch eintreten kann.
2. Richtet sich ein regionaler Tageszeitungsverlag in seinem Internetauftritt an seine Leser, so spricht das mangels konkreter anderweitiger Indizien nicht dafür, dass eine solche gerichtsstandsbegründende Interessenkollision außerhalb seines Verbreitungsgebiets vorliegt.
3. Auch nach vielen Jahren kann in Abwägung mit der Pressefreiheit ein neuer Anlass entstehen, über bereits im Bundeszentralregister getilgte Straftaten eines Betroffenen zu berichten.
Tatbestand
1 Der in einer Ortschaft im Landkreis 01 (...) wohnhafte Antragsteller stand im Jahr 198... vor Gericht, weil er im Namen einer "A" zwei Sprengstoffanschläge mit selbst gebauten Sprengsätzen auf Migranten verübt hatte. Außerdem wurde er im Jahr 198... wegen Hehlerei mit gestohlenen Waffen verurteilt. Die Vorstrafen sind im Bundeszentralregister gelöscht.
2 Der Antragsteller war auch Inhaber der Marke "X", unter der in der „rechten Szene" beliebte Kleidung vertrieben wird. Im Jahr 2000 oder 2001 gab der Antragsteller diese Marke an die Y-GmbH ab, deren Sitz allerdings mit der Wohnanschrift des Antragstellers identisch ist.
3 Die Antragsgegnerin betreibt das Online-Portal der A. Die A ist eine Tageszeitung mit dezidiert regionalem Profil. Ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf den Süden Bundesland01 und Teile der ... Landkreise 02 und 03.
4 Am ... 2008 stellte die Antragsgegnerin in das von ihr betriebene Internetportal unter der Überschrift "Stadt01: ...-..." einen Artikel ein, in dem darüber berichtet wurde, dass drei Männer, die Jacken trugen, die auch in der rechten Szene beliebt sind, in dem linksalternativen Stadtteil B durch einen wütenden Mob als Nazis beschimpft und tätlich angegriffen worden seien. In diesem Zusammenhang informierte die Antragsgegnerin auch über in der rechten Szene beliebte Mode, unter anderem mit folgendem Beitrag:
5 "Der Inhaber der Marke "X" ist der Geschäftsmann Z. 198... stand er vor Gericht, weil er im Namen einer "A" zwei Sprengstoffanschläge mit selbst gebauten Sprengsätzen auf Migranten verübt hatte. Aufgrund von Hehlerei mit gestohlenen Waffen wurde er 198... verurteilt."
6 Nach erfolgloser Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gemäß Anwaltsschreiben vom 9. April 2010 hat der Antragsteller mit beim Landgericht Kassel am 16. April 2010 eingereichtem Schriftsatz vom 15. April 2010 beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, die vorstehend wiedergegebenen Informationen über ihn zu verbreiten. Dazu hat er eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der unter anderem ausgeführt ist, er habe am 8. April 2010 durch seinen Prozessbevollmächtigten Kenntnis davon erhalten, was auf der Domain ....de über ihn verbreitet werde.
7 Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, das Landgericht Kassel sei gemäß § 32 ZPO zuständig, weil der beanstandete Artikel im Internet bestimmungsgemäß auch im Landgerichtsbezirk Kassel abrufbar gewesen sei. Die beanstandete Berichterstattung stelle einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar, weil die Straftaten bereits nahezu drei Jahrzehnte zurücklägen und die Vorstrafen längst getilgt seien, weshalb er nach § 51 BZRG als nicht vorbestraft gelte.
8 Die Antragsgegnerin hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kassel gerügt und die Auffassung vertreten, die betreffende Berichterstattung sei nicht zu beanstanden, weil zwischen der früheren Tat und dem neuerlichen Anlass zur namentlichen Erwähnung des Antragstellers ein einschlägiger Zusammenhang bestehe.
9 Durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss, worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Kassel den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
10 Der Antrag sei bereits unzulässig, weil das Landgericht Kassel örtlich nicht zuständig sei. Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil es an der insoweit erforderlichen Eilbedürftigkeit deswegen fehle, weil die Antragsgegnerin den fraglichen Eintrag unstreitig nach Zugang der Abmahnung vom 9. April 2010 gelöscht habe.
11 Gegen diesen Beschluss, der seinem Prozessbevollmächtigten am 28. Mai 2010 zugestellt wurde, richtet sich die am 2. Juni 2010 beim Landgericht eingelegte Beschwerde. Unter anderem unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats vom 26. September 2008 (...) vertritt der Antragsteller weiterhin die Auffassung, das Landgericht Kassel sei gemäß § 32 ZPO zuständig.
12 Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
13 Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
[...]
OLG Frankfurt/M, Beschluss vom 07.02.2011, 25 W 41/10