Rechtsprechung Medienrecht

BGH: Haftungsumfang für fremde Inhalte aus RSS-Feed, VI ZR 144/11

BGB §§ 823 Abs. 1 Ah, G, 1004 Abs. 1; KUG §§ 22, 23; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2
Abs. 1

Amtliche Leitsätze

a) Der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (hier: RSS-Feeds) ins Internet stellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt.

b) Weist ein Betroffener den Betreiber eines solchen Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

LG Berlin: Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren im Presserecht, 27 S 11/11

1. Die aufgestellten Grundsätze des Bundesgerichtshofs zum Wettbewerbsrecht: 

  • dass ein Wettbewerbsverband die für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch maßgeblichen Kriterien aus eigener Sachkunde beurteilen kann und sich deshalb insbesondere bei rechtlich einfach zu beurteilenden Fällen zwar der Hilfe eines Rechtsanwalts zum Ausspruch einer Abmahnung bedienen, die hierdurch entstandenen Kosten aber von dem Abgemahnten nicht erstattet verlangen kann, sowie
  • dass ein Rechtsanwalt in einer wettbewerbsrechtlichen Angelegenheit, in der er selbst betroffen ist, sich selbst mit dem Ausspruch der Abmahnung beauftragt und dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts - auch seiner selbst - zur Abmahnung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbs recht dann nicht notwendig ist, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoßes verfügt

      sind auf das Presserecht übertragbar.

2. Gerade die Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs ist nicht derart einfach, dass der Betroffene sich darauf verweisen lassen muss, selbst tätig zu werden. Insofern ist, anders als bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen, nicht lediglich das beanstandete Verhalten darzustellen, sondern es sind - neben der bereits nicht trivialen Formulierung der verlangten Gegendarstellung - auch Form- und Fristvorschriften zu beachten. Nicht zuletzt ist auch der erhebliche zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den die rechtlich erfolgversprechende Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs und die hierfür nötige rechtliche Einarbeitung erfordert.

3. Die Geltendmachung von Unterlassungs-, Richtigstellungs- und Gegendarstellungsansprüchen nicht als eine gebührenrechtliche Angelegenheit zu bewerten. Denn die im Rahmen der Geltendmachung der verschiedenen presserechtlichen Ansprüche zu erbringenden anwaltlichen Leistungen unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung maßgeblich.

BGH: Zum Geldentschädigungsanspruch der Eltern bei unerlaubter Fotoveröffentlichung ihres verstorbenen Kindes, VI ZR 123/11

GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 (Ah), § 812
Abs. 1, § 818 Abs. 2

Amtliche Leitsätze

a) Zur Frage, ob den Eltern einer bei einem Verkehrsunfall Getöteten eine Geldentschädigung zusteht, wenn die Presse über das Unfallgeschehen berichtet und dabei ein ihr von dritter Seite übergebenes neutrales Porträtfoto des Unfallopfers verbreitet hat, obwohl die Eltern die Veröffentlichung eines Bildes ihrer Tochter abgelehnt hatten.

b) Berichtet die Presse über einen die Öffentlichkeit interessierenden schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer, stellt die Veröffentlichung eines kontextneutralen Porträtfotos des Unfallopfers im Rahmen der Berichterstattung in der Regel keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar. Auf eine Lizenzgebühr gerichtete Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des Abgebildeten bzw. seiner Erben bestehen in einem solchen Fall nicht.

BVerfG: Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Jugendlichen, 1 BvR 2499/09

1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an.

2. Bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden kann.

3. Es genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, eine Regelvermutung dahingehend aufzustellen, dass aufgrund der gesetzgeberischen Wertung im Jugendgerichtsgesetz jedes Informationsinteresse hinter dem Anonymitätsinteresse „grundsätzlich" zurückzustehen hat, wenn nicht die begangene Tat von außergewöhnlicher Schwere ist.

BVerfG: "AnyDVD-Urteil" des BGHs verfassungsrechtlich unbedenklich, BvR 1248/11

1. Dass der Bundesgerichtshof das Setzen eines Links in einem Online-Artikel wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme neben der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Gegenstand des angegriffenen Urteils ist nicht eine grundrechtliche Überprüfung von § 95a UrhG, sondern die Frage, ob ein nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung in Verbindung mit § 95a UrhG möglicherweise bestehender zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen der entgegenstehenden Grundrechtsposition des Beklagten zu versagen ist.

3. Mangels einer gesetzlichen Regelung zur Zulässigkeit und zu den Grenzen von Hyperlinks hat die Abwägung der konkurrierenden Grundrechtspositionen anhand der anerkannten presserechtlichen und urheberrechtlichen Maßstäbe zu erfolge.

Unverbindliche Anfrage