BFH: Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmers, der seine Nutzer über das Internet an andere Unternehmen weiterleitet, XI R 16/10

Amtlicher Leitsatz

Ein Unternehmer, der über seine Internetseite den Nutzern die Möglichkeit verschafft, kostenpflichtige erotische oder pornografische Bilder und Videos zu beziehen, ist auch dann umsatzsteuerrechtlich Leistender, wenn der Nutzer hierzu auf Internetseiten anderer Unternehmer weitergeleitet wird, ohne dass dies in eindeutiger Weise kenntlich gemacht wird.

Tatbestand

1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG mit Sitz in ..., betrieb in den Streitjahren 2002 und 2003 die Internetseite "... .de". Sie verschaffte Nutzern des Internets die Möglichkeit, kostenpflichtige Bilder und Videos mit erotischen oder pornografischen Inhalten anzusehen.

2 Hierzu hatte ihr die ... S.R.L. (S.R.L.) mit Sitz in ..., Spanien, eine gebührenpflichtige Sonderrufnummer und eine Einwahlplattform zur Verfügung gestellt, über die Nutzer der Internetseite "... .de" mit Hilfe eines sog. Webdialers über ihre Telefonrechnungen Gebühren für die bezogenen kostenpflichtigen Internetangebote entrichteten. Die S.R.L. kehrte die über verschiedene Telefongesellschaften eingezogenen Entgelte der Nutzer nach Abzug einer Provision an die Klägerin aus. Sie erteilte der Klägerin monatlich nach dem Herkunftsland der Nutzer, den abgerechneten Minuten und dem jeweiligen Minutentarif unterteilte Abrechnungen ohne Umsatzsteuerausweis. Nach den unstreitigen Angaben der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren waren die kostenpflichtigen Bilder und Videos auf der Internetseite der ... GmbH (GmbH) mit Sitz in ... enthalten; die Nutzer, die die Internetseite "... .de" aufgerufen hätten, seien von dort auf die Internetseite der S.R.L. und von dieser auf die Internetseite der GmbH weitergeleitet worden.

3 In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2002 und 2003 behandelte die Klägerin die vorbezeichneten Umsätze als nicht steuerbar.

4 Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin hingegen die Auffassung, dass die Umsätze aus kostenpflichtigen Internetseiten, bei denen die Abrechnungen über im Ausland ansässige Firmen erfolgt seien, steuerbar seien. Dementsprechend setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Dabei unterwarf das FA auch die bis zum 1. Juli 2003 ausgeführten Umsätze der Umsatzsteuer, bei denen die Leistungsempfänger in einem Drittland ansässig waren.

5 Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage gegen die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 2002 und 2003 in der Fassung vom 27. März 2007 als unbegründet ab. Die Zurverfügungstellung pornografischen Bildmaterials über das Internet stelle die Veranstaltung einer unterhaltenden Leistung i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.F. dar. Diese Leistung habe die Klägerin an ihrem Ansässigkeitsort in Deutschland in der Weise ausgeführt, dass sie durch Koordinierung weiterer Dienstleister das Bildmaterial den Nutzern zugänglich gemacht habe.

6 Abweichendes gelte nicht für die nach dem 30. Juni 2003 ausgeführten Umsätze der Klägerin. Zwar handele es sich dabei um auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen i.S. des am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. Die Vorschrift sei aber nicht anwendbar. Es könne nach der Art der von der Klägerin erbrachten Leistungen ausgeschlossen werden, dass die Leistungsempfänger die Leistungen als Unternehmer für ihr Unternehmen bezogen hätten, wie § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG für eine Verlagerung des Leistungsorts voraussetze. Es bleibe daher auch für die im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Leistungsempfänger --ebenso wie für Leistungen, die die Klägerin vor dem 1. Juli 2003 gegenüber im Drittlandsgebiet ansässigen Leistungsempfängern erbracht habe-- dabei, dass die Leistungen am Sitz der Klägerin in Deutschland ausgeführt worden seien.

7 Eine Leistungskommission i.S. des § 3 Abs. 11 UStG, bei der die Klägerin Bilddarbietungen der S.R.L. an Endverbraucher verkauft hätte, sei nicht gegeben. Denn nicht die S.R.L., sondern die Klägerin habe die sonstigen Leistungen gegenüber den Internetnutzern erbracht. Hierbei könne es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin --wie sie vortrage-- in den Streitjahren 2002 und 2003 kein Impressum auf ihrer Internetseite ausgewiesen habe. Es reiche aus, dass die Klägerin über die DENIC e.G. als Inhaberin der Internetseite bestimmbar gewesen sei. Die Verfügungsmacht über die zur Verfügung gestellten Bildinhalte habe allein bei der Klägerin gelegen, die bestimmt habe, welche Bildinhalte und zu welchen Konditionen den Nutzern zugänglich gemacht worden seien. Sie allein habe in Vertragsbeziehungen zu den Produzenten bzw. Rechteinhabern an den Bildern gestanden. Die Leistungen der S.R.L. hätten sich auf Abwicklungs- und Abrechnungsleistungen beschränkt. Da der Zahlungsfluss nicht entscheidend sei, könne dahinstehen, wer auf den Telefonrechnungen der Nutzer im Zusammenhang mit den Entgelten für die von ihnen bezogenen kostenpflichtigen Internetinhalte ausgewiesen worden sei.

8 Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2033 veröffentlicht.

9 Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, die Vorentscheidung würdige die Leistungsbeziehungen im Internet nicht zutreffend. Das FG verkenne, dass bei der Leistung bloßer Internetinhalte durch Zurverfügungstellung von Daten die Bestimmung des Leistenden anhand der Internetseite vorzunehmen sei, über die die jeweiligen Daten bezogen worden seien. Mit einer Internetseite, die einladend auf eine andere verweise bzw. auf eine andere Internetseite weiterleite, würden gegenüber dem Nutzer keine Leistungen erbracht.

10 Ihre Internetseite "... .de" hätte --wie die Internetseite der S.R.L.-- kein Impressum gehabt und keine sonstigen Angaben zum Anbieter enthalten. Zwar könne sich der Nutzer auch bei fehlendem Impressum über die DENIC e.G. über den Betreiber einer Internetseite informieren. Es erscheine jedoch wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass ein Nutzer, der seine Zustimmung zu einem Webdialer-Programm gebe, tatsächlich bei der DENIC e.G. nachforsche, wer der Betreiber der Internetseite sei und mit wem er gerade einen Vertrag abschließe. Hätte der Nutzer den Betreiber der Internetseite ermittelt, auf der er zum Vertragsabschluss aufgefordert worden sei, wäre er auf die S.R.L. gestoßen. Er wäre dann davon ausgegangen, mit dieser und nicht etwa mit dem Betreiber einer anderen Internetseite einen Vertrag zu schließen, nur weil jener den Nutzer auf diese Seite weitergeleitet habe.

11 In Fällen, in denen wie hier der Leistende nicht oder jedenfalls nicht mit angemessenem Aufwand identifizierbar sei und es dem Leistungsempfänger erkennbar gleichgültig sei, mit wem er das Rechtsgeschäft abschließe, sei es realitätsnäher, auf die tatsächliche Leistungsbeziehung abzustellen. Die Bildinhalte selbst seien von dritter Seite, der GmbH, erbracht worden. Sie --die Klägerin-- habe diese zwar kontrahiert, die Nutzer hätten die Inhalte jedoch über die Internetseite bzw. durch die Verweisung über die Internetseite der S.R.L. abgerufen. Auch die Gegenleistung sei ausschließlich über die S.R.L. erfolgt, die die erforderlichen Verträge mit den Telefongesellschaften abgeschlossen habe.

12 § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG a.F. sei entgegen der Ansicht des FG nicht anwendbar. Nur wenn eine Leistung --anders als hier-- vom Unternehmer "tatsächlich erbracht" worden sei, sei die Vorschrift hinsichtlich der Bestimmung des Leistungsorts anzuwenden; sie befasse sich hingegen weder mit dem Leistungsinhalt noch mit der Bestimmung des leistenden Unternehmers.

13 Einen ausdrücklichen Revisionsantrag hat die Klägerin nicht gestellt.

14 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

15 Aus der Revisionsbegründung gehe nicht hervor, inwieweit die Vorentscheidung auf der Verletzung von Bundesrecht beruhen solle. In Bezug auf die vom FG getroffenen Feststellungen, dass die Klägerin den Nutzern die Möglichkeit verschafft habe, Bilder und Videos anzusehen, habe die Klägerin zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht.

Entscheidungsgründe

[...]

BFH, 15.5.2012, XI R 16/10

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