BFH: Zur Unternehmereigenschaft beim Verkauf von Gegenständen über eBay, V R 2/11

Amtliche Leitsätze

1. Der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internet-Plattform "ebay" kann eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein; die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab.

2. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Händler i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG.

Tatbestand

1 Streitig ist, ob die über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorgenommene Veräußerung einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen auf der Internet-Auktions-Plattform "ebay" der Umsatzsteuer unterliegt.

2 Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die aus den Eheleuten W.K. und M.K. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Das Finanzgericht (FG) bezeichnet dagegen im Rubrum W.K. und M.K. jeweils als Kläger und ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

3 Zum 1. November 2001 eröffneten "die Kläger" auf der Internet-Plattform "ebay" ein Nutzerkonto, das sie dazu berechtigte, an Online-Auktionen verschiedenster Waren und Gegenstände sowohl als Verkäufer als auch als Käufer teilzunehmen. Für dieses Nutzerkonto wählten "die Kläger" den Nutzernamen "X". Das Nutzerkonto war durch ein Passwort vor dem unbefugten Gebrauch durch Dritte geschützt.

4 In der Folgezeit veräußerten "die Kläger" über die Plattform "ebay" unter ihrem Nutzernamen eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen an jeweils unterschiedliche Käufer. Die zu verkaufenden Gegenstände hatten "die Kläger" bei der Erstellung des jeweiligen Auktionsangebots verschiedenen Produktgruppen zugeordnet, so vor allem den Gruppen "Barbie", "Besteck", "Briefmarken", "Buch", "Computer", "Erzgebirge", "Goebel", "Goldetui", "Goldschmuck", "Harley", "Käthe Kruse", "Kaweco", "Konzert", "Majolika", "Märklin", "Montblanc", "Münze", "Nerz", "Parker", "Pelikan", "Porzellan", "Schildkröt", "Schreiben", "Schuco", "Software", "Steif" (gemeint wohl: "Steiff") und "Uhr" sowie (jeweils nur einmal) den Kategorien "Bogner", "Foto", "Hut", "Medaille", "Minox", "Rad", "Sigikid", "Teppich" und "Waterman".

5 Daneben veräußerten "die Kläger" noch eine Vielzahl anderer Gegenstände, die sich keiner bestimmten Kategorie zuordnen ließen. Insgesamt handelte es sich im Zeitraum zwischen November 2001 und Juni 2005 um über 1 200 einzelne Verkaufsvorgänge. Hieraus erzielten "die Kläger" Erlöse, die sich im Jahr 2001 (bei 16 Verkäufen) auf 2.617 DM, im Jahre 2002 (bei 356 Verkäufen) auf 24.963 EUR, im Jahre 2003 (bei 328 Verkäufen) auf 27.637 EUR, im Jahre 2004 (bei 226 Verkäufen) auf 20.946 EUR bis zur Einstellung der Tätigkeit im Sommer 2005 (bei 287 Verkäufen) auf 34.917 EUR beliefen. Die Erlöse vereinnahmten "die Kläger" jeweils über ein von ihnen gemeinschaftlich gehaltenes Ehegattenkonto bei der A-Bank.

6 "Die Kläger" gaben bei Einstellung der Verkaufsangebote auf der Plattform "ebay" jeweils an, es handele sich um einen Privatverkauf. Eine Gewährleistung für die verkauften Gegenstände übernahmen "die Kläger" gegenüber dem jeweiligen Käufer nicht.

7 "Die Kläger" gaben weder eine Umsatzsteuererklärung ab noch erklärten sie die von ihnen erzielten Erlöse im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2005.

8 Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre (2003 bis 2005), in denen es "den Klägern" steuerpflichtige Umsätze von 23.825 EUR (für das Jahr 2003), 18.057 EUR (für das Jahr 2004) und 30.101 EUR (für das Jahr 2005) zurechnete und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer für 2003 auf 3.812 EUR, für 2004 auf 2.889,12 EUR und für 2005 auf 4.816,16 EUR festsetzte.

9 Das FG wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, "die Kläger" seien nicht nur gemeinschaftlich und selbständig zur Erzielung von Einnahmen, sondern auch nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) tätig gewesen. Ob eine Betätigung als nachhaltig anzusehen sei, sei anhand einer Reihe verschiedener Kriterien zu beurteilen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen Nachhaltigkeit sprächen. Da es auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankomme, könne nicht bereits mit Rücksicht auf das Vorliegen eines dieser --im Übrigen nicht abschließenden-- Merkmale die nachhaltige Betätigung eindeutig bejaht oder verneint werden; vielmehr müssten die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden.

10 Die Tätigkeit "der Kläger" sei von Beginn an auf unbestimmte Zeit, auf eine hohe Zahl von einzelnen Verkaufsfällen und auf die Erzielung erheblich über die Grenze einer Betätigung als Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) hinausgehender Erlöse angelegt und daher als nachhaltig zu beurteilen. Das folge zum einen aus der Vielzahl von Auktionsverkäufen, nämlich insgesamt 1 200, was im Jahr 2004 durchschnittlich viereinhalb und im Zeitraum Januar bis Juni 2005 durchschnittlich elf Geschäftsvorfälle je Woche bedeutet habe. Auch die Höhe der erzielten Erlöse von durchschnittlich 70 EUR im Jahr 2002 über 84 EUR und 92 EUR in den Jahren 2003 und 2004 auf zuletzt 121 EUR im Jahr 2005 sei zu berücksichtigen. Darüber hinaus seien die Verkaufsauktionen mit einem erheblichen Organisationsaufwand verbunden gewesen.

11 Aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1987 X R 23/82 (BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744) und vom 16. Juli 1987 X R 48/82 (BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752) zur Veräußerung von Briefmarken- bzw. Münzsammlungen ergebe sich mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte für den Streitfall nichts anderes. Das FA habe die in Rede stehenden Umsätze auch der Höhe nach zutreffend der Umsatzbesteuerung unterworfen.

12 Hiergegen wenden sich "die Kläger" mit der Revision. Sie seien nicht unternehmerisch tätig gewesen, weil sie von Anfang an lediglich vorgehabt hätten, ihre Sammlungen aufzulösen. Sie hätten die Sammlungsstücke nicht mit Wiederverkaufsabsicht erworben und hätten durch die Verkäufe lediglich ihr Vermögen umgeschichtet. Insoweit seien die Verkaufsaktivitäten von vornherein bis zum Verkauf des letzten Sammlungsstücks begrenzt gewesen. Der private Charakter der Verkäufe ergebe sich schon aus dem bei "ebay" geführten sog. account. Sie, "die Kläger", hätten bewusst einen Privatzugang und nicht einen auf gewerbliche Tätigkeit ausgerichteten "Shop-Zugang" gewählt.

13 Es sei auch nicht richtig, dass die Erzielung der Erlöse erheblich über die Grenze einer Betätigung als Kleinunternehmer hinausgegangen sei. Im Jahr 2004 hätten die Erlöse bei nur 20.946,12 EUR und damit nur unwesentlich über der Grenze von 17.500 EUR gelegen.

14 Auch habe das FG die Anzahl der Verkäufe und den Transaktionsdurchschnitt unzutreffend ermittelt. Für die Berechnung einer durchschnittlichen Verkaufszahl pro Tag sei lediglich auf die Streitjahre (2003, 2004 und 2005) abzustellen. In diesem Zeitraum hätten sie, "die Kläger", nur 663 Transaktionen getätigt und nicht 1 200.

15 Es seien auch nicht jeden Tag Verkäufe erfolgt. Vielmehr hätten teilweise mehrere Tage oder gar Wochen zwischen einzelnen Transaktionen gelegen. Die durchschnittlichen Erlöse habe das FG fehlerhaft mit 92 EUR statt nur 80,96 EUR ermittelt.

16 Das FG sei zu Unrecht von einem hohen Organisationsaufwand ausgegangen, weil die Sammlungen ohnehin hätten katalogisiert werden müssen. Es könne daher von einem zeitlichen Aufwand pro Woche von höchstens fünf Stunden ausgegangen werden.

17 Die Rechtsprechung verlange für die Annahme einer nachhaltigen Tätigkeit u.a. die Durchführung von Werbemaßnahmen. Darunter sei aber nicht ein bloßes Anbieten der Waren im Internet zu verstehen. Werbung erfordere vielmehr die Umsetzung umfangreicher Maßnahmen, die vorliegend nicht erfolgt sei.

18 Die Grundsätze der BFH-Urteile zum Verkauf von Briefmarken- und Münzsammlungen seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Sie, "die Kläger", hätten nicht nur eine, sondern mehrere Sammlungen unterhalten, für die die Grundsätze aus den o.g. BFH-Urteilen jeweils gesondert anzuwenden seien. Die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 20. Juni 1996 C-155/94, Wellcome Trust Ltd. (Slg. 1996, I-3013) und des BFH vom 30. Juli 2003 X R 7/99 (BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408) zum An- und Verkauf von Wertpapieren seien auf den vorliegenden Fall ebenfalls übertragbar. Ihre über Jahrzehnte aufgebauten Sammlungen stellten ebenso wie Wertpapierbesitz Privatvermögen dar, welches durch sie, "die Kläger", verwaltet werde. Es könne keinen Unterschied machen, ob das Privatvermögen in Wertpapieren oder in Sammlungsstücken angelegt werde.

19 Aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ergebe sich im Übrigen, dass der Unternehmerbegriff sämtliche Tätigkeiten eines Händlers, also sowohl An- als auch Verkäufe erfordere.

20 Selbst wenn sie, "die Kläger", als Unternehmer anzusehen seien, habe das FG jedenfalls die Umsätze zu Unrecht dem Regelsteuersatz unterworfen. Es habe nicht berücksichtigt, dass auf den Verkauf von Münzen, Büchern und Briefmarken der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Schließlich liege ein klarer Verstoß gegen den Inhalt der Akten vor. Es sei nicht eindeutig klar, wie die Umsätze ermittelt worden seien. Das FG stütze sich auf die "ebay"-Verkaufsliste. Aus dieser Liste gingen für 2005 aber lediglich 109 Verkäufe hervor, während das FA und das FG von 287 Verkäufen ausgingen.

21 Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des FG sowie die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 29. November 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2005 aufzuheben,
  • hilfsweise das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 29. November 2007 unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die verkauften Bücher, Münzen und Briefmarken zu ändern.

22 Das FA beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

23 Es teilt die in der Vorentscheidung zum Ausdruck gekommene Auffassung.

Entscheidungsgründe

[...]

BFH, Urteil vom 26.04.2012, V R 2/11

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