BGH: Rechteinhaber kann bei einer konkreten Rechtsverletzung durch den Störer eigenen Unterlassungsanspruch geltend machen, I ZR 57/09- Stiftparfüm

a) Weist ein Rechteinhaber den Betreiber eines Online-Marktplatzes auf eine Verletzung seines Rechts durch ein auf dem Marktplatz eingestelltes Verkaufsangebot hin, trifft den Betreiber als Störer die mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (Fortführung von BGHZ 158, 236 - Internet-Versteigerung I; BGHZ 172, 119 - Internet-Versteigerung II; BGHZ 173, 188 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

b) Dies setzt voraus, dass der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Adressat des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - feststellen kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Betreiber zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Betreibers auf der anderen Seite.

c) Ein Beleg der Rechtsverletzung durch den Beanstandenden ist nur dann erforderlich, wenn schutzwürdige Interessen des Betreibers des Online-Marktplatzes dies rechtfertigen. Das kann der Fall sein, wenn der Betreiber nach den Umständen des Einzelfalls berechtigte Zweifel am Bestehen eines Schutzrechts, an der Befugnis zur Geltendmachung dieses Schutzrechts durch den Hinweisenden oder aber am Wahrheitsgehalt der mitgeteilten tatsächlichen Umstände einer Rechtsverletzung haben darf und deshalb aufwendige eigene Recherchen anstellen müsste, um eine Rechtsverletzung hinreichend sicher feststellen zu können. Hat der Betreiber des Online-Marktplatzes solche berechtigten Zweifel, ist er grundsätzlich gehalten, dem Hinweisenden diese Zweifel mitzuteilen und nach den Umständen angemessene Belege für die behauptete Rechtsverletzung und die Befugnis des Hinweisenden zu ihrer Verfolgung zu verlangen.

d) Eine Verhaltenspflicht des Betreibers, deren Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründen kann, entsteht erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit der der Betreiber des Online-Marktplatzes erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gesehen werden, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich (Fortführung von BGHZ 173, 188 Rn. 53 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Tatbestand

1 Die Klägerin produziert und vertreibt weltweit exklusiv eine Reihe von internationalen Parfüms, darunter auch Produkte unter den Marken "Davidoff Echo" und "Davidoff Cool Water Deep". Die Klägerin ist exklusive Lizenznehmerin der unter anderem für Parfümerien eingetragenen Marken "Davidoff", "Echo Davidoff" und "Davidoff Cool Water Deep". Sie ist zur Verteidigung dieser Markenrechte im eigenen Namen berechtigt.

2 Die Beklagte betreibt im Internet unter "www.ebay.de" eine Plattform, auf der Privatleute und Gewerbetreibende gegen Entgelt Waren zum Kauf oder zur Versteigerung anbieten können. Die Beklagte bewirbt die auf ihrer Internetplattform angebotenen Produkte. Sie stellt Inhabern von Schutzrechten ein sogenanntes "VeRi-Programm" zur Verfügung, mit dem die Rechteinhaber bei der Beklagten rechtsverletzende Angebote beanstanden können. Wird die Rechtsverletzung durch eine eidesstattliche Versicherung nachgewiesen, sperrt die Beklagte das beanstandete Angebot und eröffnet dem Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit, die Daten des Anbieters über das VeRi-Programm abzufragen.

3 Auf der Internetplattform der Beklagten boten Verkäufer unter den Benutzernamen "Gold-Discount-Darmstadt" und "mein_duft" Parfüm unter Verwendung der Bezeichnungen "Echo von Davidoff" sowie unter der Überschrift "Davidoff Deep" Parfüm mit der Bezeichnung "Cool Water Deep" an. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 20. April 2007 beanstandete die Klägerin gegenüber der Beklagten insgesamt vier Verkaufsangebote des Benutzers "Gold-Discount-Darmstadt". Es hieß dort auszugsweise wie folgt:

Sehr geehrte Damen und Herren,
für die [Klägerin] beanstanden wir die im folgenden aufgeführten Angebote mit Parfumfälschungen der Marke Davidoff "Echo". Angeboten werden jeweils sog. "Stift-Parfums" mit einer Füllmenge von 20 ml. Im Namen unserer Mandantin weisen wir darauf hin, dass es sich bei Angeboten dieser Art ausnahmslos um Fälschungen handelt. Von unserer Mandantin wird weder das hier angebotene noch ein ähnliches "Stift-Parfum" unter der Marke Davidoff "Echo" hergestellt und vertrieben. ... Der Vertrieb der vorgenannten Parfumfälschungen verletzt die Markenrechte unserer Mandantin und begründet Unterlassungs- und Auskunftsansprüche nach den §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 19 MarkenG.

4 Mit einem weiteren im Wesentlichen gleichlautenden Rechtsanwaltsschreiben vom 25. April 2007 beanstandete die Klägerin außerdem insgesamt fünf Verkaufsangebote des Anbieters "mein_duft". Dort ging es ebenfalls um Angebote von Stift-Parfüms mit einer Füllmenge von 20 ml, diesmal allerdings unter der Bezeichnung "Davidoff Deep".

5 In beiden Schreiben forderte die Klägerin die Beklagte unter anderem zur Entfernung der beanstandeten Angebote, zur Mitteilung von Namen und Anschrift des Verkäufers sowie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte reagierte auf die Beanstandungen mit folgender Mitteilung:

Vielen Dank fuer Ihr Fax vom 20. April 2007.
Wir haben die dort benannten Angebote beendet, soweit eine Rechtsverletzung fuer uns erkennbar war. Ihre Meldung und die dort gemachten Angaben werden wir bei unserer weiteren Kontrolle des eBay-Marktplatzes beruecksichtigen.

6 Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte treffe aufgrund der von ihr erhobenen Entgelte und der von ihr betriebenen Werbung für die Plattform und für einzelne dort eingestellte Angebote eine Mitverantwortlichkeit für die dort begangenen Markenverletzungen.

7 Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,

  • es zu unterlassen, auf ihrer unter www.ebay.de betriebenen Plattform die Gelegenheit zu gewähren, Verkaufsangebote zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, welche sich auf ein Duftwasser mit der Behältnisgröße 20 ml und der Bezeichnung "Davidoff" und/oder "Davidoff/Echo" richten, wenn aufgrund von Hinweisen oder Merkmalen erkennbar ist, dass der Anbieter mit seinem Angebot im geschäftlichen Verkehr handelt.

8 Weiter hat die Klägerin beantragt, ihr Auskunft über die bei der Beklagten hinterlegten Namen und Anschriften der Verkäufer mit den Benutzernamen "Gold-Discount-Darmstadt" und "mein_Duft" zu erteilen.

9 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, eine Verantwortlichkeit als Störer komme nicht in Betracht. Es fehle an einem Hinweis auf eine klar erkennbare Rechtsverletzung. Die Prüfpflichten, die ihr nach Ansicht der Klägerin auferlegt werden sollten, seien unzumutbar.

10 Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und die weitergehende Klage auf Auskunft abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

11 Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

BGH, Urteil vom 17. August 2011, I ZR 57/09 - Stiftparfüm 

 

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