BPatG: Zur Unterscheidungskraft des DDR-Ampelmännchen, 27 W (pat) 31/11

Amtliche Leitsätze

1. Verkehrszeichen sind weder Hoheits- noch Prüfzeichen i.S. von § 8 II Nrn. 6 und 7 MarkenG.

2. Das so genannte DDR-Ampelmännchen ist nicht in den allgemein üblichen Zeichenschatz (§ 8 II und III MarkenG) eingegangen. 

3. Selbst eine umfangreiche nicht markenmäßige Benutzung sondern dekorative Verwendung macht ein Zeichen nicht üblich i.S. des § 8 II Nr. 3 MarkenG, wenn auch eine markenmäßige Benutzung erfolgt.

4. Die Verbraucher sind bei Druckerzeugnissen daran gewöhnt, dass Zeichen mit einer Bedeutung so angebracht werden, dass die als Hinweis auf den Verlag wirken.

5. Inhaltsbeschreibende Angaben sind bei Druckwerken nur Zeichen, die eine konkrete Vorstellung vom Inhalt - ohne ergänzenden Kontext - vermitteln.

6. Die für die Beurteilung der Bösgläubigkeit in Betracht kommenden Kriterien, Besitzstand, Geschäftsinteressen etc., stehen in einer Wechselbeziehung dergestalt, dass der fremde Besitzstand umso höher sein muss, je mehr eigene Interessen der Anmelder zulässigerweise verfolgt. Urheberrechte bzw. darauf abgeleitete Nutzungsrechte können dabei auf beiden Seiten Berücksichtigung finden.

7. Ein nicht belegter Vorwurf der Bösgläubigkeit i.S. des § 8 II Nr.10 MarkenG führt jedenfalls dann nicht zur Kostenaufhebung (§ 71 I MarkenG), wenn daneben andere Schutzhidernisse Streitgegenstand waren.

Tatbestand

1 Gegen die am 22. Dezember 2004 angemeldete und am 19. Mai 2005 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen u.a. in der

  • Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Postkarten; Photographien; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate) eingetragene Bildmarke 304 72 476

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hat der Antragsteller mit Eingang am 5. August 2009 einen Antrag auf vollständige Löschung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG gestellt.

2 Diesen Antrag hatte er damit begründet, der Marke fehle jede Unterscheidungskraft. Durch die Verwendung an Verkehrsampeln sei es ein bekanntes Symbol und nunmehr auch zu einem Kulturgut der Menschen in den neuen Bundesländern geworden. Es werde dekorativ benutzt und gebe dabei keinen Herkunftshinweis. Die Registrierung als Marke verstoße außerdem gegen das Anstandsgefühl. Schließlich sei die Anmeldung bösgläubig erfolgt. Künstler und Unternehmer hätten sich Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im „Komitee rettet die Ampelmännchen" zusammengetan. Das Motiv sei Anfang des Jahrhunderts vielfältig benutzt worden (Anlagen 8 - 20 in der Amtsakte). Man sei sich im Komitee einig gewesen - ohne dies schriftlich zu fixieren -, dass jeder das Ampelmännchen frei verwenden können sollte. Dies alles habe der Geschäftsführer der Inhaberin der angegriffenen Marke gewusst, da er an Besprechungen des Komitees teilgenommen und Kontakt zu den Nutzern gehabt habe. Er horte zudem über 100 weitere entsprechende Marken und fast 100 Geschmacksmuster für unzählige Waren und Dienstleistungen.

3 Die Markeninhaberin hat dem ihr am 14. September 2009 zugestellten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 12. November 2009, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag per Fax, widersprochen.

4 Dazu hat sie u.a. ausgeführt, sie habe die Marke, die einen Lifestyle vermittle, seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aufgebaut. Symbolqualität für die ehemalige DDR habe das Zeichen erst dadurch erlangt. Insoweit sei es mit Spreewaldgurken, Rotkäppchen-Sekt, Sandmännchen - als Marken - vergleichbar. Ende 1996 habe der Geschäftsführer der Markeninhaberin - anders als der Antragsteller - Kontakt zum Komitee gehabt. Damals habe er bereits Lampen aus abmontierten Ampeln vertrieben. Eine Vereinbarung, das Ampelmännchen nicht zu vermarkten, sei nie getroffen worden. Mondos Arts sei damals bereits im Besitz der Wort-/Bildmarken DE 300 61 076 und DE 397 05 325 (Rettet die Ampelmännchen) gewesen und sei daraus auch vorgegangen. Von Aktivitäten des Antragstellers im Zeitpunkt der Anmeldung sei nichts bekannt gewesen. Erst recht habe sie sich daran nicht beteiligt. Die Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2001 habe ihren eigenen Interessen gedient, da sie mit den entsprechend gekennzeichneten Waren seit 1996 in zwei Geschäftslokalen Umsätze von ... € getätigt habe. Auch heute „horte" sie keine Schutzrechte, sondern nutze diese.

5 Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 31. Januar 2011 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke, nämlich für die Waren „Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Postkarten; Photographien; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate)" wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG angeordnet. Der Eintragung des Bildes des „gehenden Ampelmännchens" als Marke stehe insoweit das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen.

6 Für die genannten Waren folge bereits aus dem Warenverzeichnis, ohne dass es insoweit der Feststellung weiterer Umstände, die die Art der Anbringung des Zeichens beträfen, bedürfte, dass sie durch die angegriffene Marke auch in inhaltlicher Weise beschrieben werden könnten. Diese Waren wiesen einen gedanklichen Inhalt auf, der in wörtlicher oder bildlicher Form wiedergegeben werden könne. Eine Beschreibung(seignung) könne auf Grund der Gleichwertigkeit aller Marken hinsichtlich der Schutzfähigkeitsvoraussetzungen nicht nur bei Wortmarken, sondern auch bei einem in bildlicher Form vorliegenden Aussagegehalt festgestellt werden. Bei den genannten Waren aus der Klasse 16 könne eine Inhalts- und damit Eigenschaftsangabe angenommen werden, so dass bereits aus diesem Grunde ohne das Hinzunehmen weiterer Umstände das Fehlen der Unterscheidungskraft festgestellt werden könne. Im Übrigen fehle der angegriffenen Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Zwar könnten Ampelmännchen bei zumindest einem Teil der beanspruchten Waren als Motiv aufgedruckt werden. Darauf dürfe bei der Prüfung aber nicht abgestellt werden, vielmehr müsse, soweit möglich, ein kennzeichengemäßer Gebrauch angenommen werden. Jedenfalls dürften keine solche Verwendungen unterstellt werden, bei deren Einsatz die Marke nicht unterscheidungskräftig sei. Dem stehe auch die vom Löschungsantragsteller zitierte Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 10. November 2009 (Az. 16 O 364/09), mit dem Verletzungsansprüche der Inhaberin des angegriffenen Zeichens verneint worden seien, nicht entgegen, da diese eine konkrete Verletzungsform betreffe, bei der die Art und Weise der Aufbringung des Zeichens an der Ware festgestanden habe und daher auch in die verletzungsgerichtliche Wertung habe einfließen können. Die Einordnung als „Kulturgut" sei für die Entscheidung nicht maßgeblich, da diese nicht von vornherein das Fehlen von Unterscheidungskraft begründen könne. Schließlich seien Verkehrszeichen nach ständiger Rechtsprechung keine Hoheitszeichen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG. Damit entfalle auch die Annahme einer Bösgläubigkeit der Inhaberin des angegriffenen Zeichens. Dies gelte umso mehr, als ihr die aus dem Urheberrecht des Künstlers der Ampelmännchen folgenden Nutzungsrechte eingeräumt worden seien und es fraglich sei, ob und inwieweit sich beim Antragsteller überhaupt ein schutzwürdiger Besitzstand habe bilden können. Letztlich fehle es an einem Einsatz des angegriffenen Zeichens als Spekulations- oder Sperrmarke; von einem Fehlen des (generellen) Benutzungswillens könne nicht ausgegangen werden, da die Inhaberin des angegriffenen Zeichens unbestritten insoweit Lizenzen vergebe. Eine sittenwidrige Behinderungsabsicht der Mitbewerber sei weder ersichtlich noch sei dafür ausreichend vorgetragen.

7 Der Beschluss ist der Markeninhaberin am 21. Februar 2011 zugestellt worden.

8 Gegen die darin angeordnete teilweise Löschung wendet sie sich mit ihrer Beschwerde vom 11. März 2011, die sie damit begründet, die angegriffene Marke sei erst seit 1974 DDR-Lichtsignal-Standard gewesen. Nach der Wiedervereinigung sei dieser Standard nach und nach gegen die gesamtdeutschen Lichtsignalgeber, respektive das sogenannte Euro-Männchen ausgetauscht worden. Bis auf wenige Ausnahmen einschließlich der westlichen Bezirke Berlins finde es ausschließlich Einsatz in Teilen des Gebietes der ehemaligen DDR. Die Markeninhaberin habe seit ihrer ersten Befassung mit dem Ampelmännchen dessen Nutzung als herkunftshinweisendes Zeichen für eine Variation verschiedener Produkte konsequent und nachhaltig verfolgt. Sie vertreibe derzeit ca. 800 verschiedene Produkte aller Art, auf denen die angegriffene Marke aufgebracht sei, der Umsatz sei in 2009 auf knapp ... Millionen € gestiegen. Der Vertrieb der Produkte erfolge nicht nur in den vier eigenen Geschäftslokalen in Berlin und ihrem Online-Shop, sondern auch über Vertriebspartner. Weiterhin lizenziere sie das angegriffene Zeichen in erheblichem Umfang. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Mitglieder des „Komitees zur Rettung des Ampelmännchens" eine irgendwie geartete Vereinbarung getroffen, dauerhaft auf eine Verwertung der Ost-Ampelmännchen zu verzichten. Die Eintragung von Gemeinschaftsmarken und Geschmacksmustern sei eine sinnvolle Ausweitung des Markenschutzes auf das Gebiet der Europäischen Union beziehungsweise eine Ausweitung auf ein anderes Schutzrecht mit anderen Schutzgegenständen.

9 Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Januar 2009 insoweit aufzuheben als die teilweise Löschung der Bildmarke 304 72 476 angeordnet worden ist, und den Löschungsantrag vom 5. August 2009 insgesamt zurückzuweisen.

10 Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

11 Auf eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren hat er verzichtet.

Entscheidungsgründe

[...]

BPatG, 27.9.2012, 27 W (pat) 31/11

 

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