EuGH: Keine Verwechslungsgefahr der Marken "GTI" der Volkswagen AG und "Suzuki GTI Swift" - T-63/09

Zwischen den einander überstehenden Marken "GTI" der Volkswagen AG und "Suzuki GTI Swift" besteht keine Verwechslungsgefahr, da jede begriffliche Ähnlichkeit aufgrund der Überschneidung bei der technischen Angabe GTI, durch den Phantasie-Modellnamen SWIFT weitgehend ausgeglichen oder sogar völlig aufgewogen wird, um die Produkte von Suzuki von denen anderer Autohersteller zu unterscheiden.

Ausgangsverfahren

1 Am 28. Oktober 2003 meldete die Suzuki Motor Corp. (im Folgenden: Suzuki) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2 Die angemeldete Marke ist das Wortzeichen SWIFT GTi.

3 Die Marke wurde für Waren der Klasse 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung mit der folgenden Beschreibung angemeldet: „Kraftfahrzeuge sowie deren Teile und Bestandteile; Landfahrzeuge und deren Motoren sowie andere Teile und Bestandteile dafür und Zubehör, soweit in Klasse 12 enthalten; Schonbezüge für Lenkräder, für Fahrzeugsitze und für Landfahrzeuge; geformte oder passgenaue Matten und Bodenabdeckungen für motorisierte Landfahrzeuge; Luftpumpen zum Aufpumpen von Fahrzeugreifen; Sonnenblenden, Dachgepäckträger, Gepäckträger, Gepäckträger für Fahrräder, Segelbretter und Skier sowie Schneeketten, alle für motorisierte Landfahrzeuge".

4 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 37/2004 vom 13. September 2004 veröffentlicht.

5 Am 30. November 2004 erhob die Klägerin, die Volkswagen AG, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 aufgeführten Waren.

6 Der Widerspruch stützte sich auf die deutsche Wortmarke GTI, Gegenstand der Eintragung Nr. 39 406 386 vom 27. September 1995, und auf die internationale Wortmarke GTI, Gegenstand der Eintragung Nr. 717592 vom 22. Juni 1999 mit Wirkung in der Tschechischen Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, der Slowakei, Spanien, Portugal, den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien, Österreich und Schweden. Beide Marken wurden für die Waren „Kraftfahrzeuge und deren Teile; Kraftfahrzeugmotoren" der Klasse 12 des Abkommens von Nizza eingetragen.

7 Als Grund für den Widerspruch wurde Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8 Am 21. März 2005 setzte das HABM auf Antrag von Suzuki der Klägerin eine Frist bis zum 27. Mai 2005 für die Vorlage eines Nachweises der Benutzung ihrer internationalen Marke in den Benelux-Staaten, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich und Portugal sowie der Benutzung ihrer deutschen Marke.

9 Am 25. Mai 2005 legte die Klägerin Unterlagen zum Nachweis der Benutzung vor. Suzuki erwiderte darauf, dass diese Benutzungsnachweise unzureichend seien, was die Klägerin bestritt. Die Verfahrensbeteiligten tauschten sich auch über das Vorbringen und die Beweise in Bezug auf die Frage des Bestehens einer Verwechslungsgefahr aus.

10 Am 14. September 2005 beantragte Suzuki beim HABM eine Berichtigung der Abbildung der angemeldeten Marke unter Hinweis darauf, dass diese unzutreffend als SWIFT GTI veröffentlicht worden sei, obwohl sie die Marke SWIFT GTi mit dem Kleinbuchstaben „i" am Ende beantragt habe.

11 Am 10. November 2005 teilte das HABM den Verfahrensbeteiligten mit, dass die angemeldete Marke wegen dieses Fehlers erneut veröffentlicht werde, und setzte das Widerspruchsverfahren bis zum Ablauf der ab dem Datum der erneuten Veröffentlichung beginnenden neuen Widerspruchsfrist aus. Zugleich wurde die Klägerin gebeten, keinen neuen Widerspruch zu erheben.

12 Am 30. Januar 2006 veröffentlichte das HABM die Marke mit der berichtigten Abbildung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 5/2006. Es wurde kein neuer Widerspruch erhoben.

13 Am 14. März 2006 hob das HABM auf Antrag von Suzuki, der auch von der Klägerin unterstützt wurde, die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens vor Ablauf der neuen Widerspruchsfrist auf, die ab dem Datum der erneuten Veröffentlichung der angegriffenen Marke begonnen hatte.

14 Am 27. März 2007 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die von der Klägerin vorgelegten Nachweise nicht genügten, um eine ernsthafte Benutzung ihrer älteren Marken gemäß Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009) zu belegen.

15 Am 14. Mai 2007 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde ein.

16 Am 10. Juni 2008 forderte der Berichterstatter der Zweiten Beschwerdekammer des HABM die Klägerin auf, aktualisierte Auszüge der älteren Marken vorzulegen, auf die der Widerspruch gestützt war. Am 24. Juni 2008 legte die Klägerin diese Auszüge vor.

17 Mit Entscheidung vom 9. Dezember 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

18 Die Beschwerdekammer wies zunächst den Widerspruch insoweit zurück, als er auf die Ausdehnungen der internationalen Marke gestützt war, die in der Tschechischen Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien und der Slowakei Wirkung entfalteten. Sie stellte in dieser Hinsicht im Wesentlichen fest, dass gemäß Art. 159a Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 165 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009) ältere Rechte, die in einem neuen Mitgliedstaat Wirkung entfalteten, erstmals gegenüber Gemeinschaftsmarken geltend gemacht werden könnten, die während der sechs Monate vor dem Tag des Beitritts angemeldet worden seien. Da im vorliegenden Fall die Gemeinschaftsmarkenanmeldung am 28. Oktober 2003 eingereicht worden sei, d. h. mehr als sechs Monate vor dem Tag des Beitritts der oben genannten neuen Mitgliedstaaten, dem 1. Mai 2004, habe die Ausdehnung der älteren international eingetragenen Marke auf die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien und die Slowakei keine tragfähige Grundlage für den Widerspruch gegen die Markenanmeldung sein können.

19 Sodann wies die Beschwerdekammer den Widerspruch insoweit zurück, als er auf die Ausdehnung der internationalen Marke auf Spanien und Portugal gestützt war, da in diesen Mitgliedstaaten der Schutz vor der Erhebung des Widerspruchs versagt worden sei.

20 Die Beschwerdekammer prüfte daher den Widerspruch nur auf der Grundlage der älteren deutschen Marke und der Ausdehnungen der älteren internationalen Marke, die in Schweden, den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien und Österreich Wirkung entfalteten.

21 In dieser Hinsicht stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Widerspruch von der Widerspruchsabteilung nur deshalb zurückgewiesen worden sei, weil die Klägerin keine hinreichenden Nachweise für die Benutzung ihrer älteren Marken vorgelegt habe, und befand demgegenüber, dass die Ausdehnung der internationalen Marke auf Schweden offensichtlich nicht dem Erfordernis des Nachweises der Benutzung unterliege, insbesondere weil Schweden erst am 1. Oktober 1999, d. h. weniger als fünf Jahre vor der ersten Veröffentlichung der bekämpften Gemeinschaftsmarke, am 13. September 2004, genannt worden sei. Infolgedessen seien mit der Entscheidung der Widerspruchsabteilung wesentliche Formvorschriften verletzt worden, und allein aus diesem Grund hätte sie schon für nichtig erklärt und der Vorgang an die Widerspruchsabteilung zurückverwiesen werden können.

22 Da jedoch die beiden Parteien des Verwaltungsverfahrens ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, zu allen Fragen Stellung zu nehmen, die für eine Entscheidungsfindung im vorliegenden Fall erforderlich gewesen seien, und da sie die Frage der Verwechslungsgefahr tatsächlich eingehend erörtert hätten, hielt die Beschwerdekammer es für angemessen, in Ausübung des ihr durch Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009) eingeräumten Ermessens die Begründetheit der Sache zu prüfen. Die Beschwerdekammer gliederte ihre Prüfung in der angefochtenen Entscheidung in drei Abschnitte, von denen der erste die schwedische Ausdehnung der älteren internationalen Marke, der zweite deren Ausdehnungen auf Österreich, die Benelux-Staaten, Frankreich und Italien, und der dritte die ältere deutsche Marke betraf.

23 Was den Vergleich der Waren angeht, befand die Beschwerdekammer, dass bestimmte Waren identisch und andere Waren einander ähnlich seien.

24 Was den Vergleich der Marken angeht, stellte die Beschwerdekammer im Wesentlichen fest, dass für das Gebiet Schwedens jede bildliche oder klangliche Ähnlichkeit aufgrund der Überschneidung bei der Kombination der Buchstaben „gti", die geringe originäre Kennzeichnungskraft aufwiesen oder sogar beschreibend seien, durch den Wortbestandteil „swift" der angemeldeten Marke erheblich verringert oder gar völlig aufgewogen werde. In begrifflicher Hinsicht würden die älteren Marken – zumindest intuitiv – als Hinweis auf bestimmte technische Merkmale eines Autos oder seines Motors wahrgenommen, während die angemeldete Marke aus einer Kombination eines Phantasienamens eines Automodells („swift") bestehe, dem ein Hinweis auf diese technischen Merkmale nachgestellt sei. Somit werde – selbst in begrifflicher Hinsicht – jede auf den Hinweis GTI zurückgehende Ähnlichkeit durch den Anfangsteil der angemeldeten Marke weitgehend ausgeglichen oder sogar völlig aufgewogen. Die Beschwerdekammer schloss daher jede Verwechslungsgefahr in Schweden sowohl für die Fachkreise als auch für das allgemeine Publikum aus.

25 In Bezug auf Österreich, die Benelux-Staaten, Frankreich und Italien sah die Beschwerdekammer keinen Anhaltspunkt dafür, dass in einem dieser Länder die Wahrnehmung der inhärenten Eigenschaften der fraglichen Marken wesentlich von den schon in Bezug auf Schweden genannten Gründen abweichen könne, da die Klägerin insoweit keine Argumente oder Beweise für einen sprachlichen, kulturellen oder anderen Unterschied vorgebracht habe. Somit sei es überflüssig, zu prüfen, ob die Ausdehnungen der älteren internationalen Marke auf die genannten Mitgliedstaaten dem Erfordernis des Benutzungsnachweises unterlägen bzw. ob diese Benutzung nachgewiesen worden sei, da diese Frage für den Ausgang des Verfahrens unerheblich sei.

26 In Bezug auf die ältere deutsche Marke gelte im Wesentlichen dasselbe. Sie unterliege zwar eindeutig dem Erfordernis des Nachweises der ernsthaften Benutzung, doch sei es überflüssig, zu prüfen, ob diese Benutzung nachgewiesen worden sei.

Entscheidungsgründe

[...]

EuGH, Urteil vom 21.03.2012, T-63/09

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