1. Eine Verwertungsgesellschaft, die ihr nicht zustehende Nutzungsrechte einräumt oder ihr nicht zustehende Vergütungsansprüche geltend macht und dabei nicht auf bestehende Zweifel an ihrer Rechtsinhaberschaft hinweist, kann als Teilnehmerin einer dadurch veranlaßten Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
2. Die Privilegierung des § 49 Abs. 1 UrhG umfaßt herkömmliche Pressespiegel jedenfalls insoweit, als sie nur betriebs- oder behördenintern verbreitet werden.
3. Auch Pressespiegel, die elektronisch übermittelt werden, jedoch nach Funktion und Nutzungspotential noch im wesentlichen dem herkömmlichen Pressespiegel entsprechen, fallen unter § 49 Abs. 1 UrhG. Dies setzt voraus, daß der elektronisch übermittelte Pressespiegel nur betriebs- oder behördenintern und nur in einer Form zugänglich gemacht wird, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Volltextrecherche eignet.
Tatbestand:
Die Beklagte ist die Verwertungsgesellschaft Wort, die einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland, die die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger wahrnimmt. Schon bislang macht die Beklagte auf der Grundlage von § 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG den Vergütungsanspruch für herkömmliche Pressespiegel geltend. Sie steht auf dem Standpunkt, § 49 UrhG erfasse auch die elektronischen Pressespiegel. Die Zeitungsverleger sind der gegenteiligen Ansicht. Sie vertreten die Auffassung, § 49 UrhG gelte für
diese Nutzung nicht. Vielmehr lägen diese Rechte im allgemeinen aufgrund einer entsprechenden Nutzungsrechtseinräumung bei den Zeitungsverlagen.
Im März 1999 schloß die Beklagte erstmals mit der Goldman, Sachs & Co. oHG (im folgenden: Goldman oHG) in Frankfurt einen Vertrag über die Erstellung eines elektronischen Pressespiegels. Nachstehend ist § 1 dieses Vertrages auszugsweise wiedergegeben, in dem der Gegenstand des Vertrags umschrieben ist und die Goldman oHG zur Löschung der gespeicherten Artikel verpflichtet wird:
(1) Dieser Vertrag betrifft die Einscannung und Speicherung urheberrechtlich geschützter Sprachwerke in einen zentralen Speicher und deren Wiedergabe (einschließlich der Sichtbarmachung am Bildschirm) innerhalb des Goldman-Kommunikationssystems per E-Mail zum internen Gebrauch durch Personen, die für Goldman tätig sind.
...
(3) Die eingespeicherten Artikel und Kommentare des elektronischen Pressespiegels werden von Goldman jeweils spätestens zwei Wochen nach ihrer Einspeicherung gelöscht.
Der Kläger ist ein Verlag, in dem u.a. die Berliner Zeitung erscheint. Unter Berufung auf die umfassende Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte durch seine Redakteure und festen freien Mitarbeiter nimmt er die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Nach seiner Ansicht ist § 49 Abs. 1 UrhG schon auf den herkömmlichen Pressespiegel nicht anwendbar; keinesfalls könne diese Schrankenregelung auf das neue Medium des elektronischen Pressespiegels Anwendung finden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
mit Dritten Vergütungsverträge über Vergütungen i.S. des § 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG für einen elektronischen Pressespiegel abzuschließen und/oder Vergütungen von Dritten für elektronische Pressespiegel einzuziehen oder einziehen zu lassen, soweit Artikel aus der „Berliner Zeitung“ (hilfsweise Artikel von sechs namentlich genannten Autoren aus der „Berliner Zeitung“) betroffen sind.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie steht auf dem Standpunkt,
daß § 49 Abs. 1 UrhG neben dem herkömmlichen auch den elektronischen Pressespiegel erfasse. Im übrigen hat sie bestritten, daß dem Kläger von allen für ihn tätigen Redakteuren und freien Mitarbeitern umfassende Nutzungsrechte eingeräumt worden seien.
Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß im Unterlassungsgebot beispielhaft auf den Vertrag mit der Goldman oHG Bezug genommen wird (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 51 = AfP 2001, 224).
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
[...]
BGH, Urt. v. 11. Juli 2002 – I ZR 255/00 (Hamburg) - Elektronischer Pressespiegel = GRUR 2002, 963