BGH: Nutzungsrechte an den Werken sowjetischer Künstler, I ZR 182/98 - Lepo Sumera

a) Während der Geltung des staatlichen Außenhandelsmonopols in der Sowjetunion konnte die staatliche Agentur VAAP – nach deutschem Recht wirksam – Nutzungsrechte an den Werken sowjetischer Urheber einräumen. Der Wirksamkeit eines entsprechenden Musikverlagsvertrags steht der deutsche ordre public auch nach Abschaffung des Außenhandelsmonopols in der Sowjetunion und nach der Auflösung der UdSSR nicht entgegen.

b) Ein nicht mehr vom sowjetischen Außenhandelsmonopol betroffener Urheber (hier ein estnischer Komponist nach dem Wiedererlangen der Unabhängigkeit Estlands) kann jedoch berechtigt sein, den von der Agentur über seine Werke geschlossenen Verlagsvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.

c) Die Werke estnischer Urheber waren während der Zugehörigkeit Estlands zur UdSSR in Deutschland nach § 121 Abs. 4 Satz 1 UrhG i.V. mit Art. II Abs. 2 des Welturheberrechtsabkommens geschützt. Der durch das Ausscheiden Estlands aus der Sowjetunion und die damit verbundene Beendigung der Mitgliedschaft im Welturheberrechtsabkommen unterbrochene Schutz ist jedoch 1994 durch den Beitritt Estlands zur Revidierten Berner Übereinkunft wieder aufgelebt (Art. 18 Abs. 1 und 4 RBÜ).

Tatbestand:

Die Kläger sind die Erben des am 2. Juni 2000 verstorbenen estnischen Komponisten Lepo Sumera (im folgenden: Kläger). Die Beklagte ist Musikverlegerin und Mitglied der GEMA.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagten Verlagsrechte an neun im Klageantrag näher bezeichneten Kompositionen des Klägers zustehen, die dieser noch zur Zeit des Bestehens der Sowjetunion und der Zugehörigkeit der Estnischen SSR zur UdSSR geschaffen hatte. Die Beklagte leitet Nutzungsrechte an den fraglichen Kompositionen von der “Allunions-Agentur für Urheberrechte (VAAP)” ab, der staatlichen sowjetischen Urheberrechtsorganisation, mit der sie am 24. November 1978 einen Generalvertrag geschlossen hatte. Durch die VAAP nahm die Sowjetunion das damals bestehende Außenhandelsmonopol wahr. Rechte für eine Nutzung der Werke sowjetischer Urheber im Ausland konnten nur über sie bzw. von ihr erworben werden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die VAAP im Jahre 1991 liquidiert. An die Stelle der VAAP trat zunächst die Russische Agentur für Geistiges Eigentum (RAIS) und ab 1993 die Russische Urhebergesellschaft (RAO), die auf vertraglicher Grundlage als Verwertungsgesellschaft Rechte der ihr angehörenden Urheber wahrnimmt. Der Kläger hat mit den Nachfolgeorganisationen der VAAP keine Verträge geschlossen.

In dem Generalvertrag wird die VAAP als eine Agentur beschrieben, “die die Rechte der sowjetischen Autoren auf dem Gebiet der Musik vertritt”. Der Beklagten wurde eine Option eingeräumt, Musik- und musikdramatische Werke “sowjetischer und russischer Autoren” für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin sowie elf weitere Länder (Schweiz, Niederlande, Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, Portugal, Spanien, Griechenland, Türkei, Israel) in Verlag zu nehmen, wobei sich die VAAP vorbehielt, für die weiteren Länder jeweils gesonderte Verlagsverträge mit dort ansässigen Verlagen abzuschließen. Unter “Übertragung von Rechten” enthält der Generalvertrag folgende Bestimmungen:

II. Übertragung von Rechten

Art. 5. VAAP überträgt dem Verlag zu den aus nachfolgenden Artikeln ersichtlichen Bedingungen das ausschließliche Recht auf Herausgabe, Verleih und Verbreitung auf dem Territorium [der zwölf Länder] der in Art. 1 dieses Abkommens genannten Werke ...

Art. 6. Die in Art. 5 ... bezeichneten Rechte werden dem Verlag für die Dauer der urheberrechtlichen Schutzfrist übertragen ... VAAP kann jedoch die Übertragung von Rechten kündigen, falls der Verlag die in Art. 7 ... vorgesehenen Verpflichtungen nicht erfüllt. ...

Art. 7. Der Verlag trifft alle Maßnahmen zur möglichst umfassenden Wahrnehmung der nach diesem Abkommen übernommenen Rechte.

Art. 8. Alle übertragenen und später gemäß den Bestimmungen dieses Abkommens gekündigten Rechte an Werken fallen an VAAP zurück. ...

...

VI. Allgemeine Bestimmungen

Art. 33. Im Falle der Kündigung dieses Abkommens geht das in Art. 1 ... vorgesehene Optionsrecht an VAAP zurück. ...

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagten stünden keine Verlagsrechte an seinen Kompositionen (mehr) zu. Die sowjetischen Urheber seien zwangsweise von der VAAP vertreten worden. Mit der Auflösung der VAAP sei der Generalvertrag entfallen. Mit Schreiben vom 26. Mai 1993 hat der Kläger vorsorglich sämtliche etwa bestehenden Vertragsverhältnisse mit der Beklagten gekündigt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, folgende Werke des Klägers verlaglich zu betreuen und zu verlegen:

  1. Ein Nest im Wind,
  2. Sinfonie Nr. 1,
  3. Drei Klavierstücke für Kinder,
  4. IN ES für zwei Klaviere,
  5. Musik für die Stadt Duisburg für Kammerensemble,
  6. Musik für Kammerorchester für Flöte, Horn und Streicher,
  7. Sinfonie Nr. 2,
  8. Sinfonie Nr. 3,
  9. Spiel für Blasinstrumente.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, daß die Änderung der Rechtslage und die Auflösung der VAAP die zuvor erfolgte Einräumung von Verlagsrechten zu ihren Gunsten unberührt lasse. Eine Kündigung komme im Hinblick auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung und die von ihr getätigten Investitionen nicht in Betracht. Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, daß sie von dem finnischen Verlag “FAZER Music Inc.” für die Sinfonien Nr. 1, 2 und 3 des Klägers sowie für seine “Musik für Kammerorchester” Subverlagsrechte erworben habe. Diesem Verlag habe der Kläger zuvor Verlagsrechte eingeräumt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen (OLG Hamburg GRUR Int. 1999, 76 = ZUM-RD 1998, 502).

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

[...]

BGH, Urt. v. 29. März 2001 – I ZR 182/98 (Hamburg)- Lepo Sumera = GRUR 2001, 1134

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