Ein Verstoß gegen das ausschließliche Recht eines Datenbankherstellers, die Datenbank insgesamt oder in einem nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, kann auch gegeben sein, wenn Daten entnommen und auf andere Weise zusammengefaßt werden. Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in der Datenbank des Herstellers kommt es für den Schutz nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht an. Die andersartige Anordnung der entnommenen Daten durch den Verwender hat nicht zur Folge, daß diese ihre Eigenschaft als wesentlicher Teil der Datenbank verlieren.
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind auf dem Gebiet der Markt- und Medienforschung tätig. Sie nehmen die Beklagten wegen Vervielfältigung der von ihnen erhobenen und veröffentlichten Daten auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch. Ferner begehren sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.
Die Klägerinnen erheben Daten über die Nutzung des Musik-HitRepertoires im Hörfunk der Bundesrepublik Deutschland und ermitteln wöchentlich durch statistische Stichproben die Verkaufszahlen der entsprechenden Tonträger. Aus diesen Daten erstellen sie sogenannte "Airplay-" und "Music-Sales-Charts", die wöchentlich die aktuelle Plazierung, den Titel und den Interpreten, das "Label", die in der Vorwoche erreichte Position sowie die für die Plazierung maßgebliche Punktzahl ausweisen. Die von den Klägerinnen ermittelten Charts werden in den Zeitschriften "D. " und "M. " veröffentlicht.
Die Beklagte zu 1 (im folgenden: die Beklagte), ein Verlagsunternehmen, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, vertreibt über den Buchhandel und das Internet unter dem Titel HIT BILANZ in Buchform und auf CD-ROM eine Liste von Interpreten und ihrer Hits, die nach bestimmten Kriterien sortiert ist. Sie faßt jeweils größere Zeiträume zusammen (z.B.: "HIT BILANZ/ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998") und sortiert die dargestellten Hitlisten alphabetisch nach den Interpreten. Dabei gibt sie die Titel, mit denen der Interpret in den Charts vertreten war, aufsteigend nach Jahren geordnet an und verzeichnet die Anzahl der Wochen, in denen der Titel in den Charts notiert war. Ferner benennt sie das Label des Produzenten. Die von der Beklagten vertriebene CD-ROM ist mit einem Suchsystem ausgestattet, das den Aufruf nach Interpret, Produzent, Label und Titel der Hits ermöglicht. Die von der Beklagten jeweils vertriebene HIT BILANZ basiert auf Datenmaterial aus den von den Klägerinnen wöchentlich erstellten Charts. Soweit die HIT BILANZ in Buchform erschienen ist, nimmt sie durch ausdrücklichen Hinweis teils auf die Zeitschrift "M. ", teils auf die von der Klägerin zu 1 ermittelten Daten Bezug.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die von ihnen erstellten und veröffentlichten Charts seien als Sammelwerke und Datenbanken nach § 4 UrhG geschützt; jedenfalls genössen sie den Schutz als Datenbank nach §§ 87a ff. UrhG. Diese Rechte verletzten die Beklagten durch Veröffentlichung der Buchund CD-ROM-Reihe HIT BILANZ. Die bloße Zusammenfassung der Daten und alphabetische Ordnung nach Interpreten führe aus der Verletzung nicht heraus. Das Vertreiben der von ihnen, den Klägerinnen, erhobenen Daten sei zudem nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes wettbewerbswidrig.
Die Klägerinnen haben beantragt,
1. für die Klägerin zu 1:die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne vorherige Zustimmung der Klägerin zu 1 Music-Charts, die die Klägerin zu 1 allein oder gemeinschaftlich mit der Klägerin zu 2 erstellt hat, insbesondere die TOP 100 Single-Charts und die TOP 100 Longplay-Charts, insbesondere auf der CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998" sowie im Rahmen der Buchreihe HIT BILANZ mit oder ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Klägerin zu 1 und unabhängig von der Bezugsquelle der Charts selbst oder durch Dritte zu vervielfältigen, zu verbreiten oder zu bearbeiten oder umzugestalten,2. für die Klägerin zu 2:die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, die von der Klägerin zu 2 erstellten Airplay-Charts ohne vorherige Zustimmung der Klägerin zu 2, insbesondere auf der CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998" sowie im Rahmen der Buchreihe HIT BILANZ mit oder ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Klägerin zu 2 und unabhängig von der Bezugsquelle der Charts selbst oder durch Dritte zu vervielfältigen, zu verbreiten oder zu bearbeiten oder umzugestalten,3. den Klägerinnen Auskunft über die Anzahl der seit 1998 vervielfältigten und vertriebenen Exemplare der Buchreihe HIT BILANZ, die Charts der Klägerinnen enthalten oder auf ihnen basieren, und die Anzahl der vervielfältigten und vertriebenen Exemplare der CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998", sowie über Stückpreis und die Höhe der Einnahmen aus dem Vertrieb der Exemplare und der CD-ROM zu erteilen,4. festzustellen, daß die Beklagten für die Klägerin zu 1 zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, der durch die Nutzung der TOP 100 Single-Charts und TOP 100 Longplay-Charts und der Airplay-Charts entstanden ist und noch entstehen wird, sowie für die Klägerin zu 2 festzustellen, daß die Beklagten zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, der durch die Nutzung der Airplay-Charts entstanden ist und noch entstehen wird.Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben die Ansicht vertreten, ein Vergleich der Charts der Klägerinnen mit den von ihnen vertriebenen jeweiligen HIT BILANZEN zeige, daß sich die verarbeiteten Informationen sowohl im Aufbau als auch in der Aussage völlig unterschieden. Es fehle daher an einer unmittelbaren Leistungsübernahme sowie an einer Urheberrechtsverletzung. Zudem hätten die Klägerinnen die Übernahme der Einzeldaten nicht nur geduldet, sondern - etwa durch Veröffentlichung von Anzeigen auch ausdrücklich gestattet.
Das Landgericht hat den Unterlassungsanträgen unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes stattgegeben. Den Auskunftsanspruch und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten hat es auf den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2000 beschränkt.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen (OLG München GRUR-RR 2003, 329).
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
[...]
BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - I ZR 290/02 (OLG München) - HIT BILANZ = GRUR 2005, 857