Amtliche Leitsätze
1. Der Begriff der illegalen Vorrichtung im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 98/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 1998 über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten ist dahin auszulegen, dass er weder ausländische Decodiervorrichtungen – die Zugang zu den Satellitenrundfunkdiensten eines Sendeunternehmens gewähren und mit Erlaubnis dieses Unternehmens hergestellt und in den Verkehr gebracht, aber gegen seinen Willen außerhalb des geografischen Bereichs verwendet werden, für den sie ausgeliefert wurden – noch durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift beschaffte oder aktivierte Decodiervorrichtungen oder Decodiervorrichtungen umfasst, die unter Verstoß gegen eine vertragliche Beschränkung, wonach ihre Nutzung nur zu privaten Zwecken erlaubt ist, verwendet worden sind.
2. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/84 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der die Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen einschließlich derjenigen, die durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift beschafft oder aktiviert worden sind, und derjenigen, die unter Verstoß gegen eine vertragliche Beschränkung, wonach ihre Nutzung nur zu privaten Zwecken erlaubt ist, verwendet worden sind, untersagt wird, da eine solche Regelung nicht in den durch diese Richtlinie koordinierten Bereich fällt.
3. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen,
- dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach im Inland die Einfuhr, der Verkauf und die Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen, die den Zugang zu einem kodierten Satellitenrundfunkdienst aus einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen, der nach der Regelung des erstgenannten Staates geschützte Gegenstände umfasst, rechtswidrig sind, und
- dass sich an diesem Ergebnis weder dadurch etwas ändert, dass die ausländische Decodiervorrichtung durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift in der Absicht, die fragliche Gebietsbeschränkung zu umgehen, beschafft oder aktiviert wurde, noch dadurch, dass diese Vorrichtung zu gewerblichen Zwecken verwendet wird, obwohl sie der privaten Nutzung vorbehalten war.
4. Die Klauseln eines Vertrags über eine ausschließliche Lizenz zwischen einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums und einem Sendeunternehmen stellen eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar, sofern sie dem Sendeunternehmen die Pflicht auferlegen, keine den Zugang zu den Schutzgegenständen dieses Rechtsinhabers ermöglichenden Decodiervorrichtungen zum Zweck ihrer Verwendung außerhalb des vom Lizenzvertrag erfassten Gebiets zur Verfügung zu stellen.
5. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass sich das Vervielfältigungsrecht auf flüchtige Fragmente der Werke im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erstreckt, sofern diese Fragmente Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung der betreffenden Urheber zum Ausdruck bringen, wobei das zusammengesetzte Ganze der gleichzeitig wiedergegebenen Fragmente zu prüfen ist, um zu klären, ob es solche Elemente enthält.
6. Vervielfältigungshandlungen wie die in der Rechtssache C 403/08 fraglichen, die im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erfolgen, erfüllen die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und dürfen daher ohne Erlaubnis der betreffenden Urheberrechtsinhaber vorgenommen werden.
7. Der Begriff der öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er die Übertragung durch Rundfunk gesendeter Werke über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die sich in einer Gastwirtschaft aufhaltenden Gäste umfasst.
8. Die Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung ist dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die Rechtmäßigkeit von Vervielfältigungshandlungen auswirkt, die im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erfolgen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
30 FAPL betreibt die „Premier League", die führende Profifußball-Liga für in England ansässige Fußballklubs.
31 Das Tätigkeitsfeld von FAPL umfasst u. a. die Organisation der Filmaufnahmen von Begegnungen der „Premier League" und die Vergabe der Lizenzrechte für deren Fernsehausstrahlung, d. h. der Rechte, den audiovisuellen Inhalt der sportlichen Begegnungen der Öffentlichkeit mittels Fernsehübertragung zur Verfügung zu stellen (im Folgenden: Ausstrahlungsrechte).
A – Vergabe der Lizenzrechte für die Ausstrahlung von Begegnungen der „Premier League"
32 FAPL vergibt die Lizenzrechte für die Live-Ausstrahlung der Begegnungen nach Gebieten und jeweils für drei Jahre. Sie verfolgt dabei die Strategie, das Publikum weltweit in den Genuss der Meisterschaftsspiele kommen zu lassen und gleichzeitig für ihre Mitgliederklubs den Wert dieser Rechte zu maximieren.
33 Daher werden diese Rechte an die Fernsehveranstalter in einem offenen Ausschreibungsverfahren vergeben, das mit dem Aufruf an die Bieter zur Abgabe von Angeboten auf weltweiter oder regionaler Basis oder Gebiet für Gebiet beginnt. Die Nachfrage bestimmt dann die geografische Basis, auf der FAPL ihre internationalen Rechte verkauft. In der Regel handelt es sich jedoch um eine nationale Basis, da nur eine begrenzte Nachfrage der Bieter nach welt- oder europaweiten Rechten besteht, weil die Sendeunternehmen gewöhnlich territorial agieren und entweder den Binnenmarkt ihres eigenen Landes oder einer kleinen Gruppe benachbarter Länder mit gemeinsamer Sprache bedienen.
34 Erhält ein Bieter den Zuschlag für ein Paket von Live-Ausstrahlungsrechten für Begegnungen der „Premier League" für ein Gebiet, steht ihm das ausschließliche Recht zu ihrer Rundfunkausstrahlung in diesem Gebiet zu. Nach Auffassung von FAPL ist dies erforderlich, um den optimalen Verkehrswert sämtlicher dieser Rechte zu realisieren, da die Sendeunternehmen bereit seien, für diese Exklusivität einen Aufschlag zu zahlen, denn dieser ermögliche ihnen, sich mit ihren Diensten von den Wettbewerbern abzuheben und so ihre Ertragsaussichten zu erhöhen.
35 Um aber die gebietsabhängige Exklusivität aller Sendeunternehmen zu wahren, verpflichtet sich jedes von ihnen in seiner Lizenzvereinbarung mit FAPL, die Öffentlichkeit daran zu hindern, seine Sendungen außerhalb des Gebiets, für das es die Lizenz besitzt, zu empfangen. Das setzt zum einen voraus, dass jedes Unternehmen dafür sorgt, dass alle seine Sendungen, die außerhalb dieses Gebiets empfangen werden können – insbesondere die über Satellit gesendeten – sicher verschlüsselt sind und nicht unverschlüsselt empfangen werden können. Zum anderen müssen sich die Sendeunternehmen vergewissern, dass keine Vorrichtung wissentlich autorisiert wird, die jemandem ermöglichen würde, ihre Sendungen außerhalb des betreffenden Gebiets zu sehen. Daher ist es ihnen insbesondere verboten, Decodiervorrichtungen, mit deren Hilfe ihre Sendungen entschlüsselt werden können, für eine Verwendung außerhalb des Gebiets, für das sie die Lizenz besitzen, zur Verfügung zu stellen.
B – Rundfunkausstrahlung der Begegnungen der „Premier League"
36 Im Rahmen ihrer Tätigkeit ist FAPL auch mit der Organisation der Filmaufnahmen von Begegnungen der „Premier League" und der Übertragung des Signals an die Unternehmen befasst, die das Recht haben, sie über Rundfunk auszustrahlen.
37 Dabei werden die während des Spiels aufgenommenen Bilder und die Hintergrundgeräusche des Spiels an eine Produktionseinheit übertragen, die Firmenzeichen, Videosequenzen, Bildschirmgrafiken, Musik und den englischen Kommentar hinzufügt.
38 Das Signal wird über Satellit an einen Fernsehveranstalter weitergeleitet, der sein eigenes Firmenzeichen und eventuell Kommentare hinzufügt. Danach wird das Signal komprimiert, verschlüsselt und via Satellit an die Abonnenten übermittelt, die das Signal über eine Parabolantenne empfangen. Das Signal wird schließlich in einem Satellitendecoder entschlüsselt und dekomprimiert, der dafür eine Decodiervorrichtung wie etwa eine Decoderkarte benötigt.
39 In Griechenland ist NetMed Hellas Unterlizenznehmer für die Rundfunkausstrahlung der Begegnungen der „Premier League". Die Begegnungen werden über Satellit auf „SuperSport"-Kanälen der „NOVA"-Plattform übertragen, die Multichoice Hellas gehört und von ihr betrieben wird.
40 Die Fernsehzuschauer, die das Satellitenpaket von NOVA abonniert haben, können auf die genannten Kanäle zugreifen. Jeder Abonnent muss in der Lage gewesen sein, einen Namen sowie eine Adresse und Telefonnummer in Griechenland anzugeben. Das Abonnement kann zu privaten oder gewerblichen Zwecken abgeschlossen werden.
41 Im Vereinigten Königreich war in dem für das Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum die BSkyB Ltd der Lizenznehmer für Live-Übertragungen der „Premier League". Möchte eine natürliche oder juristische Person die Begegnungen der „Premier League" im Vereinigten Königreich ausstrahlen, kann sie bei dieser Gesellschaft ein gewerbliches Abonnement abschließen.
42 Einige Gastwirtschaften sind im Vereinigten Königreich jedoch dazu übergegangen, ausländische Decodiervorrichtungen zu verwenden, um Zugang zu den Begegnungen der „Premier League" zu haben. Sie kaufen bei einem Händler eine Decoderkarte und eine Decoderbox, über die der Empfang eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestrahlten Satellitenkanals wie der NOVA-Kanäle möglich ist, deren Abonnement günstiger ist als das Abonnement bei der BSkyB Ltd. Diese Decoderkarten wurden mit Erlaubnis des Diensteanbieters hergestellt und in den Verkehr gebracht, aber in der Folge unerlaubt verwendet, da die Rundfunkanstalten ihre Auslieferung – gemäß der in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils beschriebenen Verpflichtungen – an die Bedingung geknüpft hatten, dass die Kunden solche Karten nicht außerhalb des betreffenden Staatsgebiets verwenden.
43 FAPL war der Auffassung, dass ein solches Vorgehen ihren Interessen schade, weil es die Exklusivität und damit den Wert der Lizenzrechte im jeweiligen Gebiet untergrabe. Der Fernsehveranstalter, der die billigsten Decoderkarten verkaufe, habe nämlich das Potenzial, praktisch der Fernsehveranstalter auf europäischer Ebene zu werden, mit der Folge, dass die Senderechte in der Europäischen Union auf europäischer Ebene vergeben werden müssten. Dies werde sowohl für FAPL als auch für die Fernsehveranstalter zu erheblichen Einnahmeverlusten führen und somit die Rentabilität der von ihnen angebotenen Dienste untergraben.
44 Daher haben FAPL u. a. in der Rechtssache C 403/08 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, drei Klagen erhoben, die sie als Musterprozesse ansehen. Zwei der Klagen richten sich gegen QC Leisure, Herrn Richardson, AV Station und Herrn Chamberlain, die Gastwirtschaften Zubehör und Satelliten-Decoderkarten zur Verfügung stellen, die den Empfang von Sendungen ausländischer Rundfunkanstalten (einschließlich NOVA) ermöglichen, die die Begegnungen der „Premier League" live ausstrahlen.
45 Die dritte Klage richtet sich gegen Herrn Madden, die SR Leisure Ltd, Herrn Houghton und Herrn Owen, bei denen es sich um Gastwirte und Betreiber von vier Gastwirtschaften handelt, die unter Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen Live-Übertragungen von Begegnungen der „Premier League" gezeigt haben.
46 FAPL u. a. tragen vor, dass ihre Rechte aus Section 298 des Copyright, Designs and Patents Act von diesen Personen dadurch verletzt würden, dass sie mit ausländischen Decodiervorrichtungen handelten, die dazu bestimmt oder entsprechend dafür angepasst seien, ohne Erlaubnis Zugang zu den Diensten von FAPL u. a. zu gewähren, bzw. indem sie – im Fall der Beklagten im dritten Klageverfahren – zu gewerblichen Zwecken im Besitz solcher Vorrichtungen seien.
47 Außerdem verletzten die Beklagten im dritten Klageverfahren die Urheberrechte von FAPL u. a. dadurch, dass sie Vervielfältigungsstücke der Werke im internen Betrieb des Satellitendecoders erstellten, die Werke auf dem Bildschirm darstellten, sie öffentlich aufführten, spielten oder zeigten und öffentlich wiedergäben.
48 QC Leisure und AV Station verletzten die Urheberrechte überdies dadurch, dass sie die Taten der Beklagten im dritten Klageverfahren und anderer Personen, denen sie Decoderkarten geliefert hätten, zuließen.
49 Nach Ansicht von QC Leisure u. a. sind die Klagen unbegründet, denn sie verwendeten keine Piraten-Decoderkarten, da alle betreffenden Karten in einem anderen Mitgliedstaat von dem betreffenden Satellitenfernsehveranstalter ausgegeben und auf den Markt gebracht worden seien.
50 In der Rechtssache C 429/08 verschaffte sich Frau Murphy, die Betreiberin einer Gastwirtschaft ist, eine NOVA-Decoderkarte, um Begegnungen der „Premier League" zu zeigen.
51 Agenten von MPS, einer Einrichtung, die von FAPL damit beauftragt wurde, gegen die Betreiber von Gastwirtschaften, die ausländische Decodiervorrichtungen verwendeten, strafrechtlich vorzugehen, stellten fest, dass Frau Murphy in ihrer Gastwirtschaft die von NOVA übertragenen Rundfunksendungen von Begegnungen der „Premier League" empfing.
52 MPS brachte Frau Murphy deshalb vor den Portsmouth Magistrates' Court, der sie wegen zweier Straftaten nach Section 297(1) des Copyright, Designs and Patents Act verurteilte, weil sie unredlicherweise eine Sendung, die mit einem von einem Ort innerhalb des Vereinigten Königreichs ausgehenden Rundfunkdienst übertragen werde, in der Absicht empfangen habe, der Entrichtung eines für den Empfang der Rundfunksendungen vorgesehenen Entgelts zu entgehen.
53 Nachdem der Portsmouth Crown Court die Berufung gegen ihre Verurteilung im Wesentlichen zurückgewiesen hatte, legte Frau Murphy beim High Court of Justice Revision ein und vertrat eine Auffassung, die den von QC Leisure u. a. vorgebrachten Argumenten entspricht.
54 Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, in der Rechtssache C 403/08 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. a) Wird eine Zugangskontrollvorrichtung, wenn sie von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und mit der Auflage einer beschränkten Erlaubnis dahin gehend verkauft wird, dass die Vorrichtung nur verwendet werden darf, um unter bestimmten Umständen Zugang zu dem geschützten Dienst zu erhalten, zu einer „illegalen Vorrichtung" im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Zugangskontrollrichtlinie, wenn sie verwendet wird, um Zugang zu diesem geschützten Dienst an einem Ort, auf eine Weise oder durch eine Person zu erlangen, die nicht von der Erlaubnis des Diensteanbieters erfasst sind?
b) Was bedeutet „dazu bestimmt oder entsprechend angepasst" im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie?
2. Wenn ein erster Diensteanbieter Programminhalte in verschlüsselter Form an einen zweiten Diensteanbieter überträgt, der diese Inhalte in zugangskontrollierter Form sendet: Welche Faktoren sind zu berücksichtigen, um festzustellen, ob die Interessen des ersten Anbieters eines geschützten Dienstes im Sinne von Art. 5 der Zugangskontrollrichtlinie verletzt worden sind?
Insbesondere:
Wenn ein erstes Unternehmen Programminhalte (die Bilder, Hintergrundgeräusche und englischen Kommentar umfassen) in verschlüsselter Form an ein zweites Unternehmen überträgt, das seinerseits die Programminhalte (denen es sein Firmenzeichen und bisweilen eine zusätzliche Wortkommentarspur hinzugefügt hat) an die Allgemeinheit sendet:
a) Handelt es sich bei der Übertragung durch das erste Unternehmen um den geschützten Dienst der „Fernsehsendung" im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Zugangskontrollrichtlinie und Art. 1 Buchst. a der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen"?
b) Muss das erste Unternehmen ein Fernsehveranstalter im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen" sein, damit davon ausgegangen werden kann, dass es den geschützten Dienst der „Fernsehsendung" im Sinne von Art. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Zugangskontrollrichtlinie erbringt?
c) Ist Art. 5 der Zugangskontrollrichtlinie so auszulegen, dass er dem ersten Unternehmen einen zivilrechtlichen Anspruch in Bezug auf illegale Vorrichtungen einräumt, die Zugang zu dem Programm, wie es von dem zweiten Unternehmen gesendet wird, ermöglichen, entweder
i) weil bei derartigen Vorrichtungen davon auszugehen ist, dass sie über das Sendesignal einen Zugang zu dem eigenen Dienst des ersten Unternehmens ermöglichen, oder
ii) weil das erste Unternehmen der Anbieter eines geschützten Dienstes ist, dessen Interessen durch eine Zuwiderhandlung verletzt worden sind (weil derartige Vorrichtungen einen unerlaubten Zugang zu dem geschützten Dienst ermöglichen, den das zweite Unternehmen anbietet)?
d) Spielt es für die Antwort auf Buchst. c eine Rolle, ob der erste und der zweite Diensteanbieter unterschiedliche Entschlüsselungssysteme und Zugangskontrollvorrichtungen verwenden?
3. Bezieht sich „Besitz zu gewerblichen Zwecken" in Art. 4 Buchst. a der Zugangskontrollrichtlinie nur auf den Besitz zum Zweck des gewerblichen Handelns mit illegalen Vorrichtungen (beispielsweise deren Verkauf), oder erstreckt sich diese Wendung auf den Besitz einer Vorrichtung durch einen Endnutzer im Rahmen einer geschäftlichen Tätigkeit gleich welcher Art?
4. Wenn Sequenzteile eines Films, eines musikalischen Werks oder von Tonaufnahmen (in diesem Fall: Ausschnitte digitaler Video- und Audioaufnahmen) i) im Speicher eines Decoders oder ii) – im Fall eines Films – auf dem Fernsehbildschirm erzeugt werden und das gesamte Werk vervielfältigt wird, falls die Sequenzteile in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, jedoch nur eine begrenzte Zahl von Teilen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden ist,
a) ist dann die Frage, ob diese Werke in ihrer Gesamtheit oder zu einem Teil vervielfältigt worden sind, nach den Vorschriften des nationalen Urheberrechts hinsichtlich einer Verletzungshandlung durch Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks zu beurteilen oder ist dies eine Sache der Auslegung von Art. 2 der Urheberrechtsrichtlinie?
b) Sofern dies eine Sache der Auslegung von Art. 2 der Urheberrechtsrichtlinie ist: Sollte das nationale Gericht sämtliche Teile jedes Werks in ihrer Gesamtheit oder lediglich die begrenzte Zahl von Teilen in Betracht ziehen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden sind? Im Fall des Letzteren, welchen Prüfungsmaßstab sollte das nationale Gericht dann für die Frage anwenden, ob die Werke im Sinne dieses Artikels teilweise vervielfältigt worden sind?
c) Erstreckt sich das Recht zur Vervielfältigung nach Art. 2 auf das Erzeugen flüchtiger Bilder auf einem Fernsehbildschirm?
5. a) Sind flüchtige Vervielfältigungen eines Werks, die in einer Satellitenfernsehen Decoderbox oder auf einem mit der Decoderbox verbundenen Fernsehbildschirm erzeugt werden und deren einziger Zweck darin besteht, eine nicht anderweitig gesetzlich beschränkte Nutzung des Werks zu ermöglichen, als von „eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie anzusehen, weil derartige Vervielfältigungen die einzige Grundlage sind, auf der die Rechteinhaber eine Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte erzielen können?
b) Spielt es für die Antwort auf Frage 5 a) eine Rolle, i) ob die flüchtigen Vervielfältigungen einen ihnen innewohnenden Wert haben, ii) ob sie einen kleinen Teil einer Sammlung von Werken und/oder anderen Schutzgegenständen bilden, die sonst ohne Urheberrechtsverletzung genutzt werden können, oder iii) ob der ausschließliche Lizenznehmer des Rechteinhabers in einem anderen Mitgliedstaat für die Nutzung des Werks in diesem Mitgliedstaat bereits eine Vergütung erhalten hat?
6. a) Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne von Art. 3 der Urheberrechtsrichtlinie drahtgebunden oder drahtlos öffentlich wiedergegeben, wenn eine Satellitenübertragung in gewerblich genutzten Räumen (beispielsweise einer Bar) empfangen und wiedergegeben oder dort über einen einzelnen Fernsehbildschirm und Lautsprecher der sich in diesen Räumen aufhaltenden Öffentlichkeit gezeigt wird?
b) Spielt es für die Antwort auf Frage 6 a) eine Rolle, ob
i) die anwesende Öffentlichkeit eine neues Publikum darstellt, das das Sendeunternehmen nicht in Betracht gezogen hat (in diesem Fall deshalb, weil eine inländische Decoderkarte für den Einsatz in einem Mitgliedstaat für eine gewerbliche Vorführung vor Zuschauern in einem anderen Mitgliedstaat genutzt wird),
ii) die Öffentlichkeit nach nationalem Recht kein zahlendes Publikum ist,
iii) das Fernsehsendesignal über eine terrestrische Antenne oder eine Satellitenschüssel auf dem Dach oder in der Nähe der Räume empfangen wird, in denen sich das Fernsehgerät befindet?
c) Falls einer der Teile unter b) zu bejahen ist: Welche Faktoren sollten berücksichtigt werden, um festzustellen, ob eine Übertragung des Werks erfolgt, die von einem Ort ausgeht, an dem das Publikum sich nicht aufhält?
7. Ist es mit der Satellitenrundfunkrichtlinie oder mit den Art. 28 EG, 30 EG oder 49 EG vereinbar, wenn nationales Urheberrecht vorsieht, dass dann, wenn flüchtige Vervielfältigungen von in einer Satellitenübertragung enthaltenen Werken in einer Satelliten Decoderbox oder auf dem Fernsehbildschirm erzeugt werden, ein Urheberrechtsverstoß nach dem Recht des Landes vorliegt, in dem die Sendung empfangen wird? Fällt die Antwort anders aus, wenn die Sendung mit Hilfe einer Satellitendecoderkarte entschlüsselt wird, die von dem Anbieter eines Satellitenrundfunkdienstes in einem anderen Mitgliedstaat unter der Bedingung ausgegeben worden ist, dass die Satellitendecoderkarte nur in diesem anderen Mitgliedstaat verwendet werden darf?
8. a) Falls Frage 1 dahin beantwortet wird, dass eine von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellte Zugangskontrollvorrichtung zu einer „illegalen Vorrichtung" im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Zugangskontrollrichtlinie wird, wenn sie in einer Weise verwendet wird, die nicht von der Erlaubnis des Diensteanbieters, Zugang zu einem geschützten Dienst zu ermöglichen, gedeckt ist, was ist dann der spezifische Gehalt des Rechts im Hinblick auf seine ihm von der Richtlinie eingeräumte wesentliche Funktion?
b) Stehen die Art. 28 EG oder 49 EG der Durchsetzung einer Vorschrift des nationalen Rechts in einem ersten Mitgliedstaat entgegen, die es verbietet, eine Satellitendecoderkarte einzuführen oder zu verkaufen, die von einem Anbieter eines Satellitenrundfunkdienstes in einem anderen Mitgliedstaat unter der Bedingung ausgegeben worden ist, dass die Satellitendecoderkarte nur in diesem anderen Mitgliedstaat verwendet werden darf?
c) Fällt die Antwort anders aus, wenn die Satellitendecoderkarte nur privat und im Inland in diesem anderen Mitgliedstaat verwendet werden darf, aber in dem erstgenannten Mitgliedstaat gewerblich genutzt wird?
9. Stehen die Art. 28 EG, 30 EG oder 49 EG der Durchsetzung einer Vorschrift des nationalen Urheberrechts entgegen, die es verbietet, in der Öffentlichkeit ein Musikstück aufzuführen oder zu spielen, wenn dieses Werk in einem geschützten Dienst enthalten ist, zu dem der Zugang ermöglicht wird und das öffentlich abgespielt wird, indem eine Satellitendecoderkarte benutzt wird, wenn diese Karte von dem Diensteanbieter in einem anderen Mitgliedstaat unter der Bedingung ausgegeben worden ist, dass sie nur in diesem anderen Mitgliedstaat verwendet werden darf? Fällt die Antwort anders aus, wenn das musikalische Werk ein unbedeutender Bestandteil des geschützten Dienstes in seiner Gesamtheit ist und das öffentliche Zeigen oder Abspielen der anderen Bestandteile des Dienstes nach nationalem Urheberrecht nicht verboten ist?
10. Wenn ein Anbieter von Programminhalten eine Reihe von exklusiven Lizenzen jeweils für das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erteilt, denen zufolge das Fernsehunternehmen die Programminhalte nur in diesem Gebiet (einschließlich über Satellit) senden darf, und jede Lizenz eine vertragliche Verpflichtung enthält, wonach das Fernsehunternehmen zu verhindern hat, dass seine Satellitendecoderkarten, die den Empfang des lizenzierten Programminhalts ermöglichen, außerhalb des Lizenzgebiets verwendet werden, welchen Prüfungsmaßstab sollte das nationale Gericht anlegen und welche Umstände sollte es berücksichtigen, wenn es darüber zu befinden hat, ob die vertragliche Beschränkung gegen das von Art. 81 Abs. 1 EG aufgestellte Verbot verstößt?
Insbesondere:
a) Ist Art. 81 Abs. 1 EG so auszulegen, dass er für diese Verpflichtung nur insofern gilt, als für sie davon ausgegangen wird, dass sie eine Verhinderung, eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt?
b) Wenn dies der Fall ist: Muss auch nachgewiesen werden, dass die vertragliche Verpflichtung in spürbarer Weise den Wettbewerb verhindert, einschränkt oder verfälscht, damit sie unter das von Art. 81 Abs. 1 EG aufgestellte Verbot fällt?
55 In der Rechtssache C 429/08 hat der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Unter welchen Umständen ist eine Zugangskontrollvorrichtung eine „illegale Vorrichtung" im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Zugangskontrollrichtlinie?
2. Insbesondere: Ist eine Zugangskontrollvorrichtung eine „illegale Vorrichtung", wenn
i) sie von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich mit der Auflage einer beschränkten vertraglichen Erlaubnis dahin gehend geliefert wurde, dass die Vorrichtung nur verwendet werden darf, um in einem ersten Mitgliedstaat Zugang zu einem geschützten Dienst zu erhalten, und verwendet wurde, um Zugang zu diesem geschützten Dienst in einem anderen Mitgliedstaat zu erlangen und/oder
ii) die Zugangskontrollvorrichtung von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Privatanschrift im ersten Mitgliedstaat beschafft und/oder aktiviert wurde und auf diese Weise die vertraglichen Gebietsbeschränkungen, die für die Ausfuhr derartiger Vorrichtungen zur Verwendung außerhalb des ersten Mitgliedstaats gelten, umgangen wurden und/oder
iii) die Zugangskontrollvorrichtung von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich mit der vertraglichen Auflage dahin gehend geliefert wurde, dass die Vorrichtung nur zu häuslichen oder privaten Zwecken, nicht aber zu gewerblichen Zwecken (für die ein höheres Abonnemententgelt zu entrichten ist) verwendet werden darf, jedoch im Vereinigten Königreich zu gewerblichen Zwecken, nämlich zum Zeigen von Live-Fußballsendungen in einer Gastwirtschaft, verwendet wurde?
3. Falls die Antwort auf irgendeinen Teil der Frage 2 „nein" lautet, verwehrt dann Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie einem Mitgliedstaat die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, mit der die Verwendung einer derartigen Zugangskontrollvorrichtung unter den in Frage 2 dargestellten Umständen untersagt wird?
4. Falls die Antwort auf irgendeinen Teil der Frage 2 „nein" lautet, ist dann Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie ungültig,
a) weil diese Vorschrift diskriminierend und/oder unverhältnismäßig ist und/oder
b) weil diese Vorschrift gegen die durch den Vertrag gewährleisteten Rechte auf freien Verkehr verstößt und/oder
c) weil ein anderer Ungültigkeitsgrund besteht?
5. Falls die Antwort auf Frage 2 „ja" lautet, sind dann Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der genannten Richtlinie ungültig, weil sie die Mitgliedstaaten vorgeblich verpflichten, die Einfuhr von „illegalen Vorrichtungen" aus anderen Mitgliedstaaten und andere Geschäfte mit solchen Vorrichtungen auch dann zu beschränken, wenn die Vorrichtungen rechtmäßig eingeführt und/oder verwendet werden dürfen, um gestützt auf die Vorschriften über den freien Warenverkehr nach den Art. 28 EG und 30 EG und/oder über den freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 49 EG grenzüberschreitende Satellitensendungen zu empfangen?
6. Stehen die Art. 28 EG, 30 EG und/oder 49 EG der Durchsetzung einer nationalen Rechtsvorschrift (wie Section 297 des Copyright, Designs and Patents Act), wonach sich strafbar macht, wer unredlicherweise eine Sendung, die mit einem von einem Ort innerhalb des Vereinigten Königreichs ausgehenden Rundfunkdienst übertragen wird, in der Absicht empfängt, der Entrichtung eines für den Empfang der Sendung vorgesehenen Entgelts zu entgehen, in einem der folgenden Fälle entgegen, und zwar
i) wenn die Zugangskontrollvorrichtung von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich mit der Auflage einer beschränkten vertraglichen Erlaubnis dahin gehend geliefert wurde, dass die Vorrichtung nur verwendet werden darf, um in einem ersten Mitgliedstaat Zugang zu einem geschützten Dienst zu erhalten, und verwendet wurde, um Zugang zu diesem geschützten Dienst in einem anderen Mitgliedstaat, hier im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, zu erlangen, und/oder
ii) wenn die Zugangskontrollvorrichtung von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Privatanschrift im ersten Mitgliedstaat beschafft und/oder aktiviert wurde und auf diese Weise die vertraglichen Gebietsbeschränkungen, die für die Ausfuhr derartiger Vorrichtungen zur Verwendung außerhalb des ersten Mitgliedstaats gelten, umgangen wurden, und/oder
iii) wenn die Zugangskontrollvorrichtung von einem Diensteanbieter oder mit dessen Zustimmung hergestellt und ursprünglich mit der vertraglichen Auflage dahin gehend geliefert wurde, dass die Vorrichtung nur zu häuslichen oder privaten Zwecken, nicht aber zu gewerblichen Zwecken (für die ein höheres Abonnemententgelt zu entrichten ist) verwendet werden darf, jedoch im Vereinigten Königreich zu gewerblichen Zwecken, nämlich zum Zeigen von Live-Fußballsendungen in einer Gastwirtschaft, verwendet wurde?
7. Ist die Durchsetzung der fraglichen nationalen Rechtsvorschrift auf alle Fälle unzulässig, weil sie gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EG verstößt oder weil die nationale Rechtsvorschrift auf Sendungen Anwendung findet, die mit einem Rundfunkdienst übertragen werden, der von einem Ort im Vereinigten Königreich ausgeht, nicht jedoch auf Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat?
8. Wenn ein Anbieter von Programminhalten eine Reihe von exklusiven Lizenzen jeweils für das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erteilt, denen zufolge das Fernsehunternehmen die Programminhalte nur in diesem Gebiet (einschließlich über Satellit) senden darf, und jede Lizenz eine vertragliche Verpflichtung enthält, wonach das Fernsehunternehmen zu verhindern hat, dass seine Satellitendecoderkarten, die den Empfang des lizenzierten Programminhalts ermöglichen, außerhalb des Lizenzgebiets verwendet werden, welchen Prüfungsmaßstab sollte das nationale Gericht anlegen und welche Umstände sollte es berücksichtigen, wenn es darüber zu befinden hat, ob die vertragliche Beschränkung gegen das von Art. 81 Abs. 1 EG aufgestellte Verbot verstößt?
Insbesondere:
a) Ist Art. 81 Abs. 1 EG so auszulegen, dass er für diese Verpflichtung nur insofern gilt, als für sie davon ausgegangen wird, dass sie eine Verhinderung, eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt?
b) Wenn dies der Fall ist: Muss auch nachgewiesen werden, dass die vertragliche Verpflichtung in spürbarer Weise den Wettbewerb verhindert, einschränkt oder verfälscht, damit sie unter das von Art. 81 Abs. 1 EG aufgestellte Verbot fällt?
56 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Dezember 2008 sind die Rechtssachen C 403/08 und C 429/08 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Entscheidungsgründe
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