OLG Braunschweig: Schadensersatz bei unberechtigter Fotonutzung bei Ebay, 2 U 7/11

Amtliche Leitsätze

1. Wird ein Produktfoto (hier von einem Monitor), für das kein urheberrechtlicher Motivschutz sondern nur ein Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG besteht, bei einem privaten eBay-Verkauf ohne Einverständnis des Fotografen verwendet, ist für die Schätzung der Schadenshöhe im Wege der Lizenzanalogie vorrangig auf eine repräsentative Vertragspraxis des Fotografen bei der Vermarktung seiner Fotos abzustellen.

2. Lässt sich eine repräsentative Verwertungspraxis des Fotografen zur Überlassung von Produktfotos zum Zwecke eines privaten eBay-Verkaufs nicht feststellen, kann zur Bemessung der angemessenen Lizenzhöhe nicht auf die MFM-Honorarempfehlungen zurückgegriffen werden, weil diese eine solche Art der Fotonutzung nicht abbilden.

3. Sind keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife zur Überlassung von Produktfotos zum Zwecke eines privaten eBay-Verkaufs ersichtlich, ist zu klären, auf welchem legalen Markt Nutzungsrechte an solchen Fotos erhältlich sind und unter Berücksichtigung des dortigen Preisgefüges bezogen auf den konkreten Einzelfall bei Beachtung der Marktgegebenheiten gemäß § 287 ZPO zu schätzen, was vernünftige Vertragspartner in einem solchen Fall als Lizenz vereinbart hätten.

4. Bei einem privaten eBay-Verkauf begrenzt der zu erzielende Verkaufspreis für die jeweilige Sache die angemessene Lizenzhöhe, wobei die Parteien bei der Bildung der Lizenzhöhe vernünftigerweise berücksichtigen, dass ein Privatverkäufer den Restwert der zu verkaufenden Sache für sich realisieren will, über keine Verkaufsgewinnspanne zur Finanzierung von Absatzkosten verfügt und nicht auf professionelle Fotos für den Verkauf eines Einzelstücks zwingend angewiesen ist, weshalb realistischerweise nur moderate Lizenzbeträge vereinbart werden.

5. Eine unterbliebene Urhebernennung führt bei der ungenehmigten Fotonutzung für einen privaten eBay-Verkauf nicht zu einem prozentualen Aufschlag, weil eine entsprechende Vergütungspraxis gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG nicht besteht und ein solcher Aufschlag auch nicht gemäß § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG bei einer derart geringfügigen Verletzung, die ein einmaliger privater eBay-Verkauf darstellt, der Billigkeit entspräche.

6. Sofern der Fotograf selbst in der Lage ist, den urheberrechtlichen Verstoß einer ungenehmigten Fotonutzung zu erkennen, eine vorgerichtliche Abmahnung des Verletzers vorzunehmen und letzteres in zurückliegender Zeit in anderen gleichgelagerten Fällen auch schon getan hat, sind die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des vorgerichtlichen Abmahnverfahrens nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig i.S. des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG. Die Kenntnis hierzu kann der Fotograf auch dadurch erlangen, dass er zuvor in gleichgelagerten anderen Verfahren anwaltliche Hilfe zur Durchführung der Abmahnung in Anspruch genommen hatte und sich ihm aufgrund der Gleichartigkeit der Verletzungen und der dagegen gerichteten außergerichtlichen Vorgehensweise ohne Weiteres erschließt, wie er zukünftig selbst Verletzungen erkennen und Abmahnungen durchführen kann.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe eines Schadensersatzanspruchs wegen der unberechtigten Nutzung von vier Fotos bei einem eBay-Verkauf sowie über die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für ein Abmahnschreiben.

Der Kläger ist Mediengestalter und betreibt unter der Geschäftsbezeichnung „B.-store" einen gewerblichen Versandhandel. In diesem Zusammenhang fertigt er Fotos von den jeweiligen Produkten und stellt diese ins Internet, um seine Ware zu bewerben. Gleichzeitig nutzt er dieses Forum, um Interessenten auf seine Aufnahmen aufmerksam zu machen und diese selbst zu vermarkten.

Der Kläger stellte mittels eines Softwareprogramms (garage buy) fest, dass jemand zur Bebilderung eines Angebots bei eBay vier Fotos eines A.-Monitors, die er angefertigt hatte, ungenehmigt verwendete. Daraufhin beauftragte der Kläger - so wie in zurückliegender Zeit in 20 bis 30 anderen Verfahren auch - seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, den Fotonutzer auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte ermittelte sodann bei eBay den Namen dieses Fotonutzers, vorliegend mithin den des Beklagten. Zu dieser Art der Rechtsverfolgung ist der Kläger übergegangen, nachdem er in den Jahren zuvor zunächst ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts mittels selbst gefertigter Abmahnungen gegen die jeweiligen Verletzer vorgegangen war und damit seiner Einschätzung nach wenig Erfolg gehabt habe.

Nach vergeblicher Abmahnung des Beklagten durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers hat dieser Klage auf Unterlassung, Schadensersatz und Freistellung von den Abmahnkosten erhoben. Der Kläger ist der Ansicht, dass zur Bemessung einer angemessenen Lizenzgebühr, die er als Schadensersatz verlangt, die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing maßgeblich seien. Er hält einen Betrag von 150,00 € pro Foto sowie einen Verletzerzuschlag von 100 % auf das Grundhonorar pro Foto für angemessen. Er berechnet die anwaltlichen Kosten für das Abmahnschreiben nach einem Streitwert in Höhe von 11.200,00 € (10.000,00 € für die Unterlassung und 1.200,00 € für den Schadensersatz). Nachdem der Beklagte nach Klagerhebung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und den Schadensersatzanspruch in Höhe von 400,00 € sowie den Freistellungsantrag in Höhe von 100,00 € vorab schriftlich anerkannt hatte, erklärte der Kläger den Rechtsstreit bzgl. des Unterlassungsbegehrens für erledigt. Zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist der Beklagte nicht erschienen.

Das Landgericht hat sodann mit als Teilanerkenntnis-, Teilversäumnis- und Endurteil überschriebenen Urteil vom 20.12.2010 die Erledigung des Unterlassungsanspruchs festgestellt, der Schadensersatzklage in Höhe von 500,00 € sowie dem Freistellungsantrag in voller Höhe stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger als Urheber gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 97 Abs. 2, 72, 15 UrhG zustehe. Der Beklagte habe das Urheberrecht dadurch verletzt, dass er die Bilder kopiert und in identischer Form für sein eBay-Angebot verwendet habe. Dabei habe der Beklagte zumindest fahrlässig gehandelt, da er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er von Dritten gefertigte Produktfotos nicht ohne weiteres zur Vermarktung seines eigenen A.-Monitors hätte verwenden dürfen. Dem Kläger stehe im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO wegen der Benutzung der Fotos durch den Beklagten jedoch nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 300,00 € zzgl. eines Verletzerzuschlages wegen der Unterlassung seiner Benennung als Urheber von 200,00 € zu.

Gegen das den Beklagten antragsgemäß verurteilende Teilversäumnisurteil (Freistellung von Abmahnkosten über den anerkannten Betrag von 100,00 € hinaus) legte dieser fristgerecht Einspruch ein. Auf den Einspruch hob das Landgericht Braunschweig mit Urteil vom 20.12.2010 die Verurteilung aus dem Teilversäumnisurteil teilweise wieder auf und hat die Klage insoweit abgewiesen, als eine Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten für das Abmahnschreiben von mehr als 100,00 € verfolgt wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Befreiung von den erforderlichen Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Abmahnung nach § 97 a Abs. 1 S.2 UrhG zustehe, der Beklagte sich jedoch zu Recht auf die in § 97 a Abs. 2 UrhG enthaltene Anspruchsbegrenzung berufe. Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Begründungen wird auf die angefochtenen Urteile des Landgerichts Braunschweig 20.12.2010 und vom 16.02.2011 Bezug genommen.

Gegen diese beiden Urteile hat der Kläger, soweit damit der verfolgte Schadensersatzanspruch im Umfang von 700,00 € und der weitergehende Freistellungsanspruch bzgl. vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 603,80 € abgewiesen worden sind, frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Der Senat hat die Berufungsverfahren durch Beschluss miteinander verbunden.

Der Kläger wiederholt mit der Berufungsbegründung seine Auffassung, dass ausgehend von den MFM-Empfehlungen für jedes einzelne der vier Fotos ein Grundbetrag von 150,00 € und wegen der unterlassenen Bildquellennachweise weiterhin ein Zuschlag von 100 % anzusetzen sei. Die MFM-Empfehlungen würden nicht nur die werbliche, sondern auch die private Nutzung von Lichtbildern erfassen. Dies folge daraus, dass dort innerhalb der marktüblichen allgemeinen Konditionen für die Nutzung von Fotos ausdrücklich geregelt werde, dass ein Zuschlag auf die Grundlizenz vorzunehmen sei, wenn im Einzelfall eine werbliche Nutzung vorliege.

Auch könne sich nicht wertmindernd auswirken, dass die vier streitgegenständlichen Fotos vorliegend für nur ein Angebot verwendet worden seien. Es sei zwar zutreffend, dass zunächst nur das sog. Galeriebild zusammen mit der Produktbeschreibung, die die weiteren Fotos enthalte, zu sehen gewesen sei, jedoch sei für die hier vorzunehmende Bewertung das Artikelangebot als Ganzes maßgeblich. Deshalb müsse auch berücksichtigt werden, dass die Website des Beklagten bei Aufruf durch den Kunden insgesamt geladen worden sei und damit auch alle Bilddateien. Auch sei die Annahme eines Mengenrabatts lebensfremd und in der Praxis keinesfalls üblich. Ferner wirke sich eine nur ausschnittsweise Wiedergabe von Produktdetails auch nicht wertmindernd aus. Maßgeblich sei der Aufwand der einzelnen Fotografie. Die Darstellung von Produktdetails sei nicht weniger aufwändig als die Darstellung des gesamten Produkts.

Die Ablehnung eines Zuschlages in Höhe von 100 % durch das Landgericht widerspreche ständiger Rechtsprechung. Ein solcher Zuschlag sei auch das übliche Honorar, wenn der Name des Urhebers bei der Bildnutzung nicht genannt werde, wie die MFM.-Empfehlungen zeigten.

Hinsichtlich der Beschränkung des Erstattungsanspruchs für die Abmahnkosten auf 100,00 € verkenne das Landgericht, dass § 97 a Abs. 2 UrhG nicht eingreife. Es sei bereits kein einfach gelagerter Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung gegeben. Da der Beklagte insgesamt vier Lichtbilder unbefugt benutzt habe, die aufwändig und professionell erstellt worden seien, sei das Ausmaß der Verletzungshandlung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht nicht als gering einzustufen. Bei den Artikelangeboten auf eBay sei der Kreis der angesprochenen Personen nicht überschaubar und zudem seien die Fotos mehrfach eingeblendet worden. So sei beispielsweise das Galeriebild 3-fach im Angebot des Beklagten abgebildet worden.

Auch sei nicht von einer Rechtsverletzung „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs" auszugehen. Dies habe das Landgericht bei Erlass des Teilversäumnisurteils noch selbst so gesehen. Im Übrigen habe der Beklagte mit den Fotos des Klägers unstreitig einen eigenen Monitor bei eBay zum Kauf anboten. Zudem habe der Beklagte unstreitig bei eBay in den zurückliegenden Jahren insgesamt 136 Bewertungspunkte bei 86 Verkäufen erzielt und dabei diverse Artikel verkauft, was auf eine geschäftliche Tätigkeit hinweise.

Der Kläger beantragt,

die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (Urt. v. 20.12.2010 – 9 O 1637/10) teilweise abzuändern und den Beklagten über den in dieser Entscheidung unter Ziffer 2 ausgeurteilten Betrag hinaus zur Zahlung weiterer 700,00 € an ihn nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.08.2010 zu verurteilen

und

die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (Urt. v. 16.02.2011 – 9 O 1637/10) abzuändern und den Beklagten über die ausgeurteilte Freistellungsverpflichtung zu verurteilen, ihn von der Zahlung der anlässlich des Abmahnschreibens vom 26.05.2010 (Anlage K3) angefallenen Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 703,80 € gegenüber der Anwaltskanzlei S. & S. Rechtsanwälte zu befreien.

Der Beklagte beantragt;

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile, soweit damit die Klage abgewiesen worden ist. Bei der Ermittlung der Schadensersatzhöhe sei zu berücksichtigen, dass er nicht als Unternehmer, sondern als Privatperson/Verbraucher gehandelt habe. Die von ihm anerkannte Zahlung von 100,00 € für jedes der vier verwendeten Fotos sei eine ausreichende Kompensation. Da pönale Erwägungen bei der Bemessung des Schadensersatzes keine Rolle spielen dürften, sei es zudem unzulässig, dem Verletzten einen pauschalen Zuschlag auf die angemessene Lizenzanalogie zuzusprechen.

Schon der von ihm anerkannte Schadensbetrag von insgesamt 400,00 € sei deutlich überzogen. Verständige Vertragspartner hätten sich nicht auf einen so hohen Preis für die Verwendung von vier Fotos geeinigt. Dem Beklagten habe nur ein einziger A.-Monitor zur Verfügung gestanden, den er unstreitig für 599,00 € gekauft und für 369,00 € wieder verkauft habe. Es würde eine enorme und nicht zu rechtfertigende Überdehnung des richterlichen Ermessensspielraumes darstellen, wenn er einen Betrag zu zahlen hätte, der den erzielten Umsatz und Gewinn um ein Mehrfaches übersteige.

Eine schematische Anwendung der M.-Empfehlungen stelle zudem einen erheblichen Rechtsfehler dar. Auch die Unternehmen F., S., iS., 123RF., C.com, P., P. seien in den Blick zunehmen. Gemeinsam sei diesen Internetangeboten, dass dort Fotografien in einer Preisspanne zwischen wenigen Cent und einigen Euro verkauft würden.

Der Senat hat durch die Vernehmung des Zeugen G. Beweis über die Frage erhoben, ob und inwieweit die in der Broschüre "Bildhonorare" der MFM aufgeführten Honorare die marktüblichen Preise für die Nutzung von Produktfotos für private Internetverkäufe wiedergeben. In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die vom Beklagten benannten Unternehmen im Internet keine Fotografien von Produkten mit dem Markenzeichen und auch keine Lizenzen für diese Fotos anbieten, um sie bei einem eBay-Verkauf einzusetzen. Mit Schriftsatz vom 01.02.2012 hat der Beklagte zum Beweisergebnis Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, 2 U 7/11

 

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