1. Die streitgegenständliche Fotoserie ist keine unveränderte Vervielfältigung der Beuys- Aktion, sondern deren Umgestaltung i.S.d. § 23 UrhG.
2. Hierfür reicht eine Fixierung einzelner Momente, jeweils aus einer anderen Blickrichtigung, und unter Begrenzung der Aufnahme auf einen oder mehr oder weniger großen Ausschnitt der Totale aus.
3. Zudem spielen Gestaltungsspielräume der Fotografen eine Rolle, wie die Auswahl des Moments der Aufnahme, die Wahl einer bestimmten Helligkeit und die Festlegung einer Schärfezone für die einzelnen Bilder, sowie die Wahl zwischen Farb- oder Schwarz-Weiß Aufnahmen.
2. Der Urheber kann die Veröffentlichung seines umgestaltenden Werkes auch dann noch untersagen, wenn das Original bereits veröffentlich ist, das Erstveröffentlichungsrecht insofern verbraucht ist.
Tatbestand
1 Der klagende kraft staatlicher Verleihung rechtsfähige Verein hat die Aufgabe, Rechte und Ansprüche von Urhebern imvisuellen Bereich wahrzunehmen. Er verlangt aufgrund zweier Wahrnehmungsverträge – der spätere vom 5. Juni 2009 -, die er mit der Witwe und – laut Erbschein – Alleinerbin des 1986 verstorbenen Düsseldorfer Künstlers Joseph Beuys geschlossen hat, sowie aufgrund am 28. April 2009 und 13. August 2010 von der Erbin zusätzlich erteilter Vollmachten von der beklagten Stiftung, davon abzusehen, in dem von ihr am Niederrhein unterhaltenen Museum Schloss Moyland die aus der Anlage zu diesem Urteil ersichtlichen achtzehn Aufnahmen auszustellen, womit sie am 9. Mai 2009 bereits begonnen hatte.
2 Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen Aktionen, die die drei Künstler Joseph Beuys -er assistiert von seinem damaligen Schüler Norbert Tadeusz -, Bazon Brock und Wolf Vostell am 11. Dezember 1964 im Landesstudio Düsseldorf des Zweiten Deutschen Fernsehens veranstaltet hatten und die damals in der Reihe „Die Drehscheibe" live gesendet worden waren. In einer Information von Vostell war der Aktion von Beuys der Titel „Fluxus Demonstrationen", der von Brock der Titel „Agit Pop" und der eigenen der Titel „De-coll/age Happening" beigegeben. Von den Aktionen gibt es keine Aufzeichnung. Die Fotografien hatte der Künstlerfotograf Manfred Tischer aus Düsseldorf einvernehmlich gefertigt. Die Beuys-Erbin hat in die Ausstellung der Fotografien nicht eingewilligt.
3 In seinem Urteil, auf dessen tatbestandliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu der begehrten Unterlassung verurteilt hat. Es hat die Beuyssche Aktion getrennt von den beiden anderen Aktionen betrachtet, sie als ein Werk des Urheberrechts gewertet und das Werk allein Beuys zugewiesen. Der Mitwirkung von Tadeusz hat es keine solche Bedeutung zugemessen, dass er als Miturheber anzusehen wäre. In den 19 Fotografien, deren Ausstellung es untersagt hat, die fünfte seiner Zählung gehört jetzt nicht mehr zum Streitgegenstand sieht das Landgericht im Rechtssinne zwar keine Vervielfältigungen der Beuysschen Aktion, wohl aber, wie es der Kläger geltend macht, eine Umgestaltung des urheberrechtlich geschützten Beuysschen Werkes im Sinne des § 23 UrhG, die nicht ohne Einwilligung des Urhebers dieses Werkes veröffentlicht oder verwertet werden dürfe. „Die Kunstaktion in Form eines dynamischen Prozesses" sei vom Fotografen „in einen statischen übertragen" worden. Es liege keine freie Bearbeitung vor, da die Fotoserie „die tragenden Elemente der Aktion" enthalte und sich in ihr „die inhaltliche Gesamtaussage der Aktion" wiederfinde. Die seinerzeitige Fernsehübertragung der Aktion selbst erübrige jetzt nicht die Einwilligung in eine Veröffentlichung der umgestaltenden Fotoserie. Die seinerzeitige Einwilligung von Beuys in die Aufnahmen als solche bedeute nicht zugleich eine Einwilligung in ihre Veröffentlichung. Der Kläger sei aufgrund der Ermächtigung der Erbin zur Geltendmachung der Rechte im eigenen Namen berechtigt. Es liege eine gewillkürte Prozessstandschaft vor. Der Kläger habe selbst ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung, sei es auch ein wirtschaftliches.
4 Auch sei das vorliegend im Streit stehende Recht im Wahrnehmungsvertrag zumindest dem Grunde nach „angelegt". Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin und unter ergänzender Bezugnahme auf ihr Vorbringen erster Instanz die Abweisung der Klage erreichen will.
5 Wie in erster Instanz spricht sie dem Kläger mangels schutzwürdigen Interesses das Recht ab, den verfolgten Unterlassungsanspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zu verfolgen. ln § 1 des Wahrnehmungsvertrags vom 5. Juni 2009 seien weder das Ausstellungsrecht nach § 18 UrhG, noch das Bearbeitungs- und Umgestaltungsrecht im Sinne des § 23 UrhG aufgeführt. Der Umfang der nach § 1 zwecks Wahrnehmung eingeräumten Rechte werde durch § 2 Abs. 2 des Vertrags nicht erweitert. Der Kläger führe den Prozess in Wirklichkeit zugunsten der Beuys-Erbin, die ihrerseits den Prozess nicht selbst geführt hätte, vor allem nicht zu dem vom Kläger angegebenen Streitwert von 200.000 Euro. Einer wirksamen Rechtseinräumung an den Kläger stehe aber auch entgegen, dass das Werk, für das Schutz beansprucht werde, anders als vom Landgericht angenommen, in Miturheberschaft der in der Sendung bei einer gemeinsamen Aktion auftretenden Künstler geschaffen worden sei, die weiteren Urheber Brock und Vostell an der Rechtseinräumung aber nicht mitgewirkt hätten. Es spreche alles dafür, dass in der „Duchamp-Debatte" die drei mit ihren jeweils unterschiedlichen Positionen – schon zur Vermeidung gegenseitiger Störungen – während einer gemeinsamen Aktion hätten Stellung nehmen wollen. Angesichts des Fehlens von Dokumentationsmaterial und Zeitzeugen erklärt sich die Beklagte zu den ein Werk des Urheberrechts begründenden Merkmalen der Beuysschen Aktion mit Nichtwissen. Der Kläger habe die maßgeblichen Elemente nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Schließlich stimmt die Beklagte der Auffassung des Landgerichts zu, dass eine einzige Fotografie, aber auch eine Reihe von 18 Fotografien keine Vervielfältigung einer länger – zwanzig bis dreißig Minuten -dauernden Darbietung bedeuteten, beharrt gegen das Landgericht allerdings auch auf ihrer Ansicht, dass die Aufnahmen dann ebenso wenig eine „Bearbeitung" der Aktion im Sinne des § 23 UrhG ausmachten. Die Serie von 18 Fotografien sei keine Vervielfältigung der zwanzig bis dreißig Minuten langen Aktion und bedeute auch nicht deren Veränderung. Den vom Dokumentations- und nicht vom Veränderungswillen des Fotografen Tischer beherrschten Momentaufnahmen fehle jeder „Veränderungscharakter". Sie führten nicht etwa die Aktion im Zeitraffer einer neuen Veıwendungsform zu. Fotografien von Theateraufführungen oder Ähnlichem seien keinesfalls immer Bearbeitungen, deren Veröffentlichung vom Urheber der Aufführung untersagt werden könne. Die prägenden Elemente der Beuysschen Aktion würden in den Fotografien des Streitfalls nicht sinnlich wahrnehmbar. Die abgebildeten Hervorbringungen und Requisiten seien nicht prägend gewesen. Sehe man dies anders, liege insofern aber doch nur eine Teilvervielfältigung ohne jede Bearbeitung vor.
6 Die Beklagte beantragt,
auf ihre Berufung hin das angefochten Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
7 Der Kläger beantragt
die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass sich das erstrebte Verbot auf die aus der Anlage zum vorliegenden Urteil ersichtliche Reihe von 18 Fotografien beziehen solle (ohne die fünfte Fotografie in der Zählung des Landgerichts).
8 Er hält an seinem Unterlassungsanspruch nach § 23 Satz 1, § 97 Abs. 1 UrhG fest und verteidigt das angefochtene Urteil. Seine Wahrnehmungsbefugnis erstrecke sich nach § 2 Abs. 2 des entsprechenden Vertrags vom 5. Juni 2009 auf die Verwertung von Bearbeitungen und Umgestaltungen. Jedenfalls könne er unter Berücksichtigung von Absatz 3 des Vertrags nach den Vollmachten in gewillkürter Prozessstandschaft vorgehen.
9 Es gehe um Schutz für eine Aktion, deren Alleinurheber Beuys gewesen sei. Nicht nur habe der Beuys-Schüler Tadeusz lediglich auf Anweisung gehandelt, sondern hätten auch die zu gleicher Zeit in räumlicher Nähe stattfindenden Aktionen von Brock und Vostell mit der Beuysschen keine Einheit gebildet. Mangels Unterordnung der drei Künstler unter die Gesamtidee, ein einheitliches Werk zu schaffen, liege keine Miturheberschaft vor. Der Kläger meint, die Eigenschaft der Beuys-Aktion, eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts zu sein, lasse sich -ohne Rücksicht auf ihre Einordnung in eine Werkgattung – durchaus feststellen, auch wenn keine Aufzeichnung der Veranstaltung vorliege. Er hält die charakteristischen Merkmale der Aktion dank vorliegender Beschreibungen und der Fotografien für bekannt; Requisiten der Aktion, sogenannte Action tools, seien ihrerseits anerkannte Kunstwerke.
10 Der Kläger sieht in den streitgegenständlichen Fotografien Bearbeitungen, jedenfalls aber „andere Umgestaltungen" der Aktion im Sinne des § 23 Satz 1 UrhG, die nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht und verwertet werden dürften. Die Fotografien zeigten zum einen wesentliche Szenen der Aktion, „schöpferische Aktionselemente", so die Entstehung der „action tools" und die Anordnung von Materialien und Requisiten, und dem Betrachter werde der Eindruck vermittelt, die wesentlichen Aktionsmerkmale seien wiedergegeben. Zum anderen handele es sich um eine verkürzte, lediglich Teile der Aktion festhaltende Darstellung und damit eine Umgestaltung. Anders als ein Sendemitschnitt ahmten die Fotografien das Werk nicht lediglich mechanisch nach, sondern überführten es in ein anderes Medium, wobei bestimmte Merkmale wie Geräusche von vornherein nicht übernommen seien. Es seien zudem nur bestimmte Momente der Aktion festgehalten, und sie nur aus einer bestimmten Perspektive. Die Tischerschen Aufnahmen in Schwarz-Weiß gäben schließlich nicht die Farben der Aktion wieder. Bei solchen Abweichungen sei es sachgerecht, die Veröffentlichung und Venıvertung von Fotografien einer Kunstaktion von der Einwilligung des Urhebers abhängig zu machen. Es bestehe die Gefahr, dass die verkürzte Darstellung in Standbildern und auch deren Zu- sammenstellung in einer Ausstellung der Intention des Autors entgegenlaufe. Die streitgegenständlichen Aufnahmen seien keine freie Benutzung des Beuysschen Werkes.
11 Die Aktion selbst sei für Tischer keine bloße Anregung für ein eigenes Werkschaffen gewesen, sie „bilde" vielmehr „den Mittelpunkt" der Fotografien. Das Einverständnis von Beuys in die fotografischen Aufnahmen der Aktion bedeute nicht schon ein Einverständnis indie Veröffentlichung und Venrvertung der Bilder.
12 Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die hier gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.12.2011, I-20 U 171/10, GRUR 2012, 173