Amtlicher Leitsatz
Verspricht ein Schuldner einem Gläubiger nach einem Verstoß gegen § 19 a UrhG, das Lichtbild nicht (mehr) öffentlich zugänglich zu machen, verwirkt er die Vertragsstrafe, wenn er das Lichtbild weiterhin unter derselben URL-Adresse abrufbar bereithält und lediglich den Link zwischen redaktionellem Beitrag und Lichtbild löscht.
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.2 Der Kläger ist Fotograf. Er hat das in Anl. K1 wiedergegebene und von ihm als Lichtbildner gefertigte Lichtbild („Brainstorming") auf der Online Plattform www.p...de zur Nutzung für Dritte bereitgestellt (Anl. K3). Die Plattform ermöglicht es Fotografen, Bilder zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen und dadurch ihre Bekanntheit zu steigern. Die Nutzer sind berechtigt, die Bilder herunterzuladen und zu nutzen. Dafür müssen sich die Nutzer mit einem Namen und Passwort anmelden. Im Rahmen der Anmeldung muss der Anwender die Nutzungsbedingungen der Plattform annehmen. Die Nutzungsbedingungen sehen vor, dass dem Nutzer ein Lizenzrecht unter der Bedingung eingeräumt wird, dass dieser im Fall des öffentlichen Zugänglichmachen und der Nutzung des Lichtbildes sowohl den Urheber, als auch die Quelle des Bildes nennt. Entsprechendes sieht der Lizenzvertrag vor, der zwischen dem Fotografen und dem Nutzer der Plattform im Zusammenhang mit dem Herunterladen des Lichtbildes zustande kommt.
3 Die Beklagte, ein Verlag, hat das Lichtbild auf ihrer Homepage ohne Angabe des Lichtbildners und der Quelle benutzt. Daraufhin hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 25.06.2010 abgemahnt. Die Beklagte gab unter dem 09.07.2010 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung folgenden Inhalts ab:
4 Hiermit verpflichtet sich die Beklagte (näher ausgeführt) gegenüber dem Kläger (näher ausgeführt)5 1. es ab sofort zu unterlassen, die Fotografie „Brainstorming" oder Teile hieraus öffentlich zugänglich zu machen, öffentlich zugänglich machen zu lassen oder sonst zu nutzen, ohne dass der Unterlassungsgläubiger dem zugestimmt hat,
6 2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die unter 1. aufgeführte Verpflichtung eine vom Kläger festzusetzenden, im Streitfall der Höhe nach auf ihre Angemessenheit zu überprüfenden und an den Kläger zu zahlenden Vertragsstrafe zu zahlen,
7 3. die Kosten der Inanspruchnahme der (näher bezeichneten) Rechtsanwälte i.H.v. 546,69 EUR durch Ausgleich unmittelbar gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei zu erstatten.
8 Die Beklagte hat nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung auf ihrer Homepage den Link zu dem Lichtbild gelöscht, so dass das Lichtbild bei Öffnen der Homepage mit dem bisherigen redaktionellen Inhalt nicht mehr zu sehen war. Sie hat das Lichtbild aber unter derselben URL-Adresse abgespeichert gelassen, unter der es bereits bei der Wiedergabe auf der Homepage abgespeichert war Diese URL-Adresse konnte - solange das Lichtbild in die Homepage eingebunden war - aufgerufen werden. Auch nach Entfernen der Verlinkung und nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung konnte das Lichtbild durch Eingabe der Adresse in den Browser im Internet von Jedermann abgerufen werden, sofern diesem die unveränderte URL-Adresse zur Verfügung stand. Nachdem der Kläger, der die URL-Adresse aus der Zeit der Einbindung des Lichtbildes in die Homepage kannte, dies festgestellt hatte, hat er von der Beklagten unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe von dieser eine Vertragsstrafe in Höhe von 6.000 EUR verlangt. Darüber hinaus hat er aus einem Gegenstandswert von 6.000 EUR die Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 546,69 EUR unter Fristsetzung bis zum 18.08.2010 geltend gemacht.
9 Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe das Lichtbild „Brainstorming" unter Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungserklärung genutzt, indem sie das Lichtbild unter der URL-Adresse weiterhin öffentlich zugänglich mache.
10 Der Kläger hat beantragt:
11 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.100 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2010 zu zahlen.
12 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 285,24 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2010 zu zahlen.
13 Die Beklagte hat beantragt,
14 die Klage abzuweisen.
15 Die Beklagte hat vorgetragen, die Abrufbarkeit des Lichtbildes über die URL-Adresse sei kein öffentliches Zugänglichmachen. Da die URL nicht bekannt sei und das Lichtbild auch über Suchmaschinen nicht aufgefunden werden könne, werde es für die Öffentlichkeit nicht in einer Weise bereitgehalten, dass der Abruf und die Übertragung ohne weiteres Zutun des Anbieters möglich wäre. Die lediglich abstrakte Möglichkeit des Zugriffs genüge nicht. Darüber hinaus erlaube der Lizenzvertrag die Einspeicherung des Lichtbildes in die Datenbank der Beklagten. Das Lichtbild sei also nicht rechtswidrig heruntergeladen worden. Außerdem stehe dem Vorgehen des Klägers der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Denn der Kläger habe die von ihm verlangten Daten (Angabe des Fotografen und der Plattform) selbst nicht in die Lichtbilddatei eingebunden, so dass der Nutzer diese hinzufügen müsse. Der Aufruf der Fotografie könne aber nur ohne diese Daten erfolgen. Der Kläger nutze damit eine von ihm geschaffene Situation aus, um dem Beklagten vorzuwerfen, intern die Fotografie ohne diese Daten abgespeichert zu haben. Darüber hinaus sei die vom Kläger festgesetzte Höhe der Vertragsstrafe übersetzt. Das Lichtbild gebe eine Standardsituation wieder, Rechte bekannter Persönlichkeiten seien nicht verletzt. Darüber hinaus sei das Lichtbild nur aufgrund der „Insiderkenntnisse" des Klägers abrufbar gewesen.
16 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Abspeichern des Lichtbildes durch die Beklagte sei vom Kläger nach den Lizenzvertragsbedingungen gestattet. Da der Zugriff durch Dritte voraussetze, dass der Speicherpfad bekanntgegeben werde, stelle das Abspeichern des Lichtbildes auf dem Server kein öffentliches Zugänglichmachen i.S. des § 19 a UrhG und damit keinen Verstoß gegen das Vertragsstrafeversprechen dar. Ohne Verstoß gegen das Vertragsstrafeversprechen hätte der Beklagte das Lichtbild löschen und anschließend erneut von der Plattform „www.p...de" herunterladen können. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe stelle darüber hinaus im Hinblick auf die vom Kläger selbst geschaffene Situation auch eine unzulässige Rechtsausübung dar.
17 Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage in der angegriffenen Entscheidung, auf die wegen aller Einzelheiten verwiesen wird. Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe die Voraussetzungen eines öffentlichen Zugänglichmachens verkannt.
18 Der Kläger beantragt,
19 das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Beklagte gemäß der klägerischen Anträge aus der Klageschrift vom 11.01.2011 zu verurteilen.
20 Die Beklagte beantragt,
21 die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
22 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie meint, ein Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG liege nur vor, wenn ein Werk für die Öffentlichkeit bereitgehalten werde. Dies sei nur dann der Fall, wenn Abruf und Übertragung technisch ohne weiteres Zutun des Anbieters möglich sei. Der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werke müsse Dritten eröffnet werden. Daran habe es nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung gefehlt. Denn ein Abruf hätte die Bekanntgabe des Speicherpfades durch die Beklagte vorausgesetzt. Die zulässige Einspeicherung des Lichtbildes in eine Datenbank der Beklagten stelle eine reine Vorbereitungshandlung dar. Soweit das Oberlandesgericht Hamburg (MMR 2010, 418) und das Kammergericht Berlin (ZUM-RD 2010, 595) die abstrakte Möglichkeit der Erreichbarkeit durch Eingabe der URL für ein öffentliches Zugänglichmachen i.S. des § 19 a UrhG für ausreichend hielten, beträfen diese Fälle den Regelfall der Adressenermittlung mittels Suchmaschinen. Diese Fälle seien mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar, denn über eine Suchmaschine sei das Lichtbild nicht aufzufinden gewesen. Jedenfalls aber fehle es deshalb an einem Verstoß gegen die Unterlassungserklärung, da die konkrete Verletzungshandlung eine Veröffentlichung des Lichtbildes in einem redaktionellen Umfeld gewesen sei. Daran fehle es aber bei dem nunmehr gerügten Verstoß. Außerdem sei die Beklagte nach der Unterlassungserklärung nicht verpflichtet gewesen, die Fotografie von dem Server zu entfernen. Die Beklagte sei nur verpflichtet gewesen, bei erneuter kommerzieller Nutzung des Lichtbildes, die Urheber- und Bilddatenbanknennung hinzuzufügen. Jedenfalls aber werde der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aufrechterhalten. Außerdem sei die geforderte Vertragsstrafe völlig übersetzt.
Entscheidungsgründe
[...]
OLG Karlsruhe, 03.12.2012, 6 U 92/11