OLG Hamm: Wettbewerbsverstoß bei Verwendung einer nicht aktuellen Widerrufsbelehrung, I-4 U 99/11

Eine Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen, die sich auf falsche Vorschriften, hier die frühere BGB-InfoV, bezieht, anstatt auf Art. 246 §§ 1-3 EGBGB ist wettberwerbswidrig und stellt keinen Bagatellverstoß dar.

Tatbestand

3 Die Parteien vertreiben gewerblich Kraftfahrzeuge im Internet. Nach einer Abmahnung hinsichtlich einer angeblich fehlerhaften Widerrufsbelehrung – bemerkt im März 2011 - und einer entsprechenden Weigerung, sich diesbezüglich zu unterwerfen, hat der Antragsteller folgende einstweilige Verfügung erwirkt:

4 Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Verkauf von Waren (KFZ-Teilen) zum Zwecke des Wettbewerbs im Internet auf der Verkaufsplattform eBay den Verbraucher unvollständig oder falsch zu belehren, indem in der Widerrufsbelehrung ein Hinweis darauf fehlt, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Pflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie der Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB zu laufen beginnt

5 oder dergestalt zu belehren, dass der Beginn des Laufs der Widerrufsfrist davon abhängt, dass die Voraussetzungen "gemäß § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV sowie gemäß § 312e Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV" erfüllt werden,

6 wie aus der Anlage FN 2 zur Antragsschrift ersichtlich geschehen.

7 Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

8 Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

9 Der Antragsteller hat beantragt,

10 die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

11 Die Antragsgegnerin hat beantragt,

12 die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

13 Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 21.03.2011 bestätigt. Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung habe nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Indem die Antragsgegnerin dort auf die BGB-InfoV verwiesen habe, habe sie auf eine nicht mehr existente Paragraphenkette verwiesen. Der Verweis auf die einschlägigen Vorschriften, aus denen sich ergebe, welche Informationen mitgeteilt werden müssten, damit die Widerrufsfrist zu laufen beginne, mache nur Sinn, wenn es dem Verbraucher auch möglich sei, die zitierten Paragraphen im Zweifel nachzulesen. Eine falsche oder unzureichende Belehrung über das Widerrufsrecht sei nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter, weil es sich um eine Marktverhaltensregelung zum Schutze der Verbraucher handele. Es handele sich hier auch nicht um einen Bagatellverstoß.

14 Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie weiterhin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begehrt.

15 Die Verwendung der alten Widerrufsbelehrung mit Verweis auf die nicht mehr existierende BGB-InfoV sei nicht wettbewerbswidrig. Es sei falsch, einen Bagatellverstoß mit der Begründung abzulehnen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Verbraucher aus Unsicherheit von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mache, weil er nicht einschätzen könne, wann die Frist zu laufen beginne. Diese Einschätzung orientiere sich nicht am Beurteilungsmaßstab eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbrauchers. Naheleigender sei es, dass ein Verbraucher vorsorglich in jedem Falle einen Widerruf aussprechen werde, um seine diesbezüglichen Rechte zu wahren, und nicht sehenden Auges eine Rechtsunsicherheit in Kauf nehme. Demjenigen Verbraucher, der die §§ 1 – 3 BGB-InfoV nicht mehr finde, werde schon nach kurzer Internetrecherche auffallen, dass eine inhaltsgleiche Regelung in Artikel 246 EGBGB fortbestehe. Auch nach einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 25.01.2011 (103 O 174/10) sei die Verwendung der alten Widerrufsbelehrung mit Verweis auf die nicht mehr existierende BGB-InfoV nicht wettbewerbswidrig. Es würde lediglich eine falsche Paragraphenkette genannt. Es liege insoweit kein spürbarer Vorteil für die Antragsgegnerin vor, weil die Frist in jedem Falle gleich bleibe. Rechtsnachteile für den Verbraucher seien auch nicht ersichtlich.

16 Die Antragsgegnerin beantragt,

17 unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Essen vom 11.05.2011 die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

18 Der Antragsteller beantragt,

19 die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass im Beschlusstenor des Landgerichts vom 21. März 2011 der Passus "zu belehren" ... bis einschließlich "oder" entfällt.

20 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

[...]

OLG Hamm, Urteil vom 13.10.2011, I-4 U 99/11

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