Ein Unterlassungsgläubiger kann Schadensersatz statt der Leistung, hier den Ersatz für die entstandenen Anwaltskosten durch die Abmahnung, in Geld verlangen, wenn der Unterlassungsschuldner die Ansprüche zuvor zurückgewiesen hat.
Tatbestand
1 Der Kläger verkauft gewerblich auf der Internetplattform eBay unter der Bezeichnung „H" u.a. Haushaltsartikel (Anlage FN1 zur Klageschrift vom 19.10.2010/Bl. 9ff. d.A.). Die Beklagte verkauft ebenfalls auf der Internetplattform eBay unter „F" im gewerblichen Umfang identische Waren.
2 Der Kläger erteilte seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage FN7 zum Schriftsatz vom 28.12.2011/Bl. 67 d.A.) den Auftrag, den Internetauftritt der Beklagten zu prüfen und diese gegebenenfalls abzumahnen.
3 Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2011 (Anlage FN3 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl.23 ff.d.A.) ab. Er beanstandete, dass sich im Angebot der Beklagten kein Hinweis gemäß § 355 Abs. 1 BGB auf das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht finde, dass im Impressum keine Angabe zum Registergericht gemacht und schließlich nicht gemäß §§ 312c Abs. 2 und 312e BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB darüber informiert werde, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss gespeichert werde und dem Kunden zugänglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 15.09.2011 und zur Überweisung der für die Abmahnung entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 924,40 € bis zum 22.09.2011 „auf das angegebene Konto" auf.
4 Hierüber erteilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesem am 15.09.2011 eine Rechnung. Wegen der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf die als Anlage zum Schriftsatz vom 07.03.2012 (Bl. 108 d.A.) zu den Akten gereichte Kopie derselben Bezug genommen.
5 Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.09.2011 (Anlage FN4 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl.29ff.d.A.) wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zurück. Gleichwohl gab sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tag annahm.
6 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7 Der Kläger macht im Hinblick auf die allein im Streit befindliche Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 09.09.2012 ausschließlich einen Zahlungsanspruch geltend. Er begehrt hingegen nicht, und zwar auch nicht hilfsweise die Freistellung von diesen Anwaltskosten.
8 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
9 Die Klage sei unbegründet.
10 Denn dem Kläger stehe kein Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten zu.
11 Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er eine entsprechene Aufwendung tatsächlich getätigt habe. Dies sei jedoch Voraussetzung für den Zahlungsanspruch. Denn die eindeutige Regelung des § 257 BGB sehe einen Freistellungsanspruch vor, wenn der Aufwand im Eingehen einer Verbindlichkeit bestehe. Eine analoge Anwendung des § 250 BGB komme mangels planwidriger Gesetzeslücke ebenso wenig in Betracht wie ein konkurrierender Schadensersatzanspruch, der im Hinblick auf Abmahnkosten ohnehin nur in Ausnahmefällen angenommen werden könne.
12 Der Kläger habe auch nicht bewiesen, dass die Gebührenforderung durch wirksame Aufrechnung erloschen sei. Die Vorlage des Schreibens der Klägervertreter vom 15.09.2011 rechtfertige nicht die Annahme, dass die hier fragliche Gebührenforderung mit einer wirksamen Aufrechnungserklärung zum Erlöschen gebracht worden sei. Es erscheine bereits fraglich, ob das vorgelegte Schreiben eine Aufrechnungserklärung oder lediglich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes darstelle. Jedenfalls komme dem Schreiben nur der in § 416 ZPO vorgesehene Beweiswert zu. Beweiskraft für die inhaltliche Richtigkeit messe das Gesetz einer privatschriftlichen Erklärung nicht zu. Da die Beklagte bestritten habe, dass der Erklärung reale Vorgänge zugrunde lägen, habe es dem Kläger oblegen, weiteren Beweis anzutreten. Allein aufgrund des Umstandes, dass der Klägervertreter eine solche Erklärung zu den Akten gereicht habe, vermöge die Kammer nicht auf die Richtigkeit derselben zu schließen. Dem Schreiben lasse sich ein so detaillierter und nachvollziehbarer Lebenssachverhalt, dass dessen Bestehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, nicht entnehmen. Eine generelle Beweisvermutung, dass schriftliche Erklärungen von Anwälten zutreffend seien, bestehe nicht. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit sei einzelfallbezogen und nicht berufsgruppenprivilegiert. Die Kammer verfüge über keine tragfähigen personenbezogenen Erkenntnisse aus anderen Verfahren, die hier Eingang in die Beweiswürdigung finden könnten.
13 Somit käme nur eine Verurteilung der Beklagten zur Freistellung in Betracht, die der Kläger allerdings ausdrücklich nicht begehre. Da eine Verurteilung zur Freistellung damit nicht als gewolltes „Minus", sondern als nicht gewünschtes „Aliud" anzusehen sei, stehe § 308 ZPO einer entsprechenden Verurteilung entgegen.
14 Hiergegen richtet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:
15 Er habe nachgewiesen, dass er durch Fremdgeldverrechnung den gegen ihn bestehenden Zahlungsanspruch seiner Prozessbevollmächtigten aufgrund der ausgesprochenen Abmahnung erfüllt habe. Es sei ausdrücklich vorgetragen und dargelegt worden, dass der Brutto-Rechnungsbetrag für die Abmahnung der Beklagten dem Fremdgeldkonto zugunsten des Klägers bei dessen Prozessbevollmächtigten entnommen und auf den streitgegenständlichen Fall verrechnet worden sei. Hierbei sei sogar ausdrücklich der Hinweis auf das Insolvenzrisiko auf der Beklagtenseite sowie auf die Notwendigkeit der erfolgreichen Prozessführung erfolgt. Die Rechnung sei für ihn (den Kläger) zur Geltendmachung der Vorsteuer geeignet. In Anbetracht dessen könne kein Zweifel bestehen, dass er mit dem Nettobetrag von 924,40 € belastet worden sei. Für ihn sei unerheblich, ob er selbst eine entsprechende Anweisung tätige oder ob in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten ein entsprechender Buchungsvorgang stattfinde, da dies für ihn wirtschaftlich zum selben Ergebnis führe.
16 Dass das Landgericht diese eindeutige Dokumentation nicht habe ausreichen lassen, sei unverständlich, zumal er (der Kläger) in der ersten mündlichen Verhandlung angehört und gleichermaßen wie sein anwesender Prozessbevollmächtigter eine „Bezahlung" der Rechnung zu Protokoll erklärt habe. Zudem sei seitens seines Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich deutlich gemacht worden, dass die Rechnung zutreffe. Jede andere Annahme unterstelle damit einen Prozessbetrug.
17 Es komme einer Ausforschung gleich, wenn er Auskunft geben müsse, welchem Vorgang das Fremdgeld entstamme. Es sei nicht ersichtlich, wieso es erheblich sei, wer ihm Geld schulde und welche Raten verrechnet würden. Auch im Falle einer Überweisung oder Barzahlung spiele es keine Rolle, woher das Geld stamme.
18 Es sei auch unverständlich, wieso der vom Aussteller unterschriebenen Rechnung ein geringerer Beweiswert zukommen solle als beispielsweise einem Kontoauszug. Tatsächlich sei der einzig wirklich belastbare Nachweis eine schriftliche Erklärung des Zahlungsempfängers. Denn nur dieser könne klar stellen, ob ihn das Geld erreicht und ob es so wie vom Rechnungsempfänger gewünscht verbucht worden sei.
19 Angesichts der eindeutigen Rechnung und der Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten sei klar gewesen, dass dieser auch keine andere Zeugenaussage getroffen hätte. Es gebe keinen Ansatz dafür, dem keinen Glauben zu schenken. Vorsorglich biete sich sein Prozessbevollmächtigter insoweit als Zeuge an.
20 Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil den Begriff der „Aufrechnung" verwende, gehe es womöglich irrig davon aus, dass eine insoweit streitige Willenserklärung zu beweisen sei. Tatsächlich handele es sich jedoch um das Innenverhältnis zu seinem Prozessbevollmächtigten, das sie beide dargelegt hätten.
21 Wenn das Landgericht weiteren Beweis habe erheben wollen, hätte es eines Hinweises bedurft. Der gerichtliche Hinweis vom 19.04.2012 habe weitere Darlegungen und keine Beweisangebote erfordert.
22 Für das Bestehen eines Zahlungsanspruchs käme es auf den vorherigen Ausgleich der Abmahnkosten im Innenverhältnis rechtlich nicht an. Denn die Beklagte habe die Erfüllung der geltend gemachten Kostenforderung durch Zurückweisung der Abmahnung als unberechtigt sowie nochmals ausdrücklich durch Stellung des Klageabweisungsantrages verweigert. Dies führe dazu, dass der bestehende Freistellungsanspruch sich gemäß § 250 BGB unmittelbar in einen Zahlungsanspruch umgewandelt habe. § 250 BGB sei auch im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu bejahen.
23 Der Kläger beantragt deshalb,
24 unter Abänderung des am 30.05.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Az.: 42 O 70/11 die Beklagte zu verurteilen, an ihn die durch die Abmahnung vom 09.09.2011 entstandenen Kosten in Höhe von 924,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.09.2011 zu zahlen.
25 Die Beklagte beantragt,
26 die Berufung zurückzuweisen.
27 Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor:
28 Es sei gerade nicht zutreffend, dass es für die Berechtigung des Zahlungsanspruches des Klägers nicht darauf ankommen könne, ob die Anwaltskosten von diesem bezahlt oder der Anspruch auf Zahlung auf andere Weise erfüllt worden sei. Dem stehe die eindeutige Regelung des § 257 BGB entgegen.
29 Soweit die Rechtsprechung gelegentlich einen derartigen Zahlungsanspruch für berechtigt erachtet habe, sei dies im Wege des Schadensersatzes erfolgt. Insoweit könne aber nicht mehr als das verlangt werden, was als Schaden tatsächlich entstanden sei. Insoweit weist die Beklage auf ihren Vortrag hin, nach dem der Kläger grundsätzlich von Rechtsanwaltsgebühren der hier streitgegenständlichen Art freigestellt werde. Dieser Vortrag sei hinreichend substantiiert.
30 Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger ein Schreiben vom 15.09.2012 als „Zahlnachweis" vorgelegt habe. Das Schreiben sei in sich nicht stimmig, weil es eine Rechnungsnummer trage, die auf einen Vorgang aus dem Jahre 2008 bezogen sei, also eine Zeit, in der der Kläger noch kein Mandat erteilt habe. Mit der Vorlage dieses Schreibens ohne weiteren Beweisantritt sei der Kläger für das Entstehen eines entsprechenden Schadens beweisfällig geblieben. Der Kläger habe auch nach dem Hinweis vom 19.04.2012 und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2012 keinen Beweis angetreten, sondern sich darauf versteift, es bestehe ein Zahlungsanspruch. Der nunmehr erfolgte Beweisantritt durch die Benennung seines Prozessbevollmächtigten als Zeugen sei als verspätet zurückzuweisen.
31 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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