Rechtsprechung Wirtschafts-, Medien- und Steuerrecht

BGH: Darlegungs- und Beweislast bei Kennzeichenverletzungen im Internet, I ZR 227/05 - Namensklau im Internet

Leitsätze:

BGB § 12

Wird der Betreiber einer Internet-Auktionsplattform wegen Verletzung eines Kennzeichen- oder Namensrecht nach den Grundsätzen der Entscheidung "Internet-Versteigerung I" (BGHZ 158, 236) als Störer in Anspruch genommen, trifft den Gläubiger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es dem Betreiber technisch möglich und zumutbar war, nach dem ersten Hinweis auf eine Verletzung des Schutzrechts weitere von Nutzern der Plattform begangene Verletzungen zu verhindern. Da der Gläubiger regelmäßig über entsprechende Kenntnisse nicht verfügt, trifft den Betreiber die sekundäre Darlegungslast; ihm obliegt es daher, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen er ergreifen kann und weshalb ihm - falls diese Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten - weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten sind.

BGH, Urt. v. 10.04.2008, I ZR 227/05 - Namensklau im Internet

BGH: Zur Abwägung zwischen Urheberrecht und kirchlichem Recht auf Selbstbestimmung, I ZR 166/05 - St. Gottfried

1. Genießt die Gestaltung eines Kircheninnenraums als Werk der Baukunst Urheberrechtsschutz, hängt die Zulässigkeit in die Bausubstanz eingreifender Umgestaltungen von einer Abwägung der Interessen des Urhebers einerseits und des Eigentümers andererseits ab.

2. Ist dem Architekten als Gestalter eines Kircheninnenraums bewusst, dass die Kirchengemeinde als Eigentümerin das Gotteshaus für ihre Gottesdienste nutzen möchte, ist dieser Umstand bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen; der Architekt muss dann damit rechnen, dass sich wandelnde Überzeugungen hinsichtlich der Gestaltung des Gottesdienstes das Bedürfnis nach einer entsprechenden Umgestaltung des Kircheninnenraums entstehen lassen.

3. Für die Beurteilung, ob und inwieweit liturgische Gründe für eine Umgestaltung eines Kircheninnenraums bestehen, kommt es auf das Selbstverständnis der Kirchengemeinde an. Insoweit reicht es aus, dass die Kirchengemeinde ihre Glaubensüberzeugung substantiiert und nachvollziehbar darlegt; ist eine solche Darlegung erfolgt, haben sich der Staat und seine Gerichte einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten.

BGH, Urt. v. 19. März 2008 - I ZR 166/05 (OLG Hamm) - St. Gottfried = GRUR 2008, 984

BGH: Erstbegehungsgefahr durch Markenanmeldung, I ZR 151/05 - Metrosex

MarkenG § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3

Leitsätze:

Die Anmeldung und die Eintragung eines Zeichens als Marke stellen als solche noch keine kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen dar, so dass darin noch keine Verletzung eines prioritätsälteren Kennzeichens i.S. von § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG liegt. Sie können jedoch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Inhabers des älteren Zeichenrechts begründen.

BVerfG: Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07 - Online-Durchsuchung

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

2. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen.

3. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.

4. Soweit eine Ermächtigung sich auf eine staatliche Maßnahme beschränkt, durch welche die Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz erhoben oder darauf bezogene Daten ausgewertet werden, ist der Eingriff an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.

5. Verschafft der Staat sich Kenntnis von Inhalten der Internetkommunikation auf dem dafür technisch vorgesehenen Weg, so liegt darin nur dann ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, wenn die staatliche Stelle nicht durch Kommunikationsbeteiligte zur Kenntnisnahme autorisiert ist. Nimmt der Staat im Internet öffentlich zugängliche Kommunikationsinhalte wahr oder beteiligt er sich an öffentlich zugänglichen Kommunikationsvorgängen, greift er grundsätzlich nicht in Grundrechte ein.

BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07

BGH: Verwendung fremden Fimmaterials schafft kein selbstständiges Werk, I ZR 42/05 - TV-Total

1. Auch Teile von auf Filmträgern aufgenommenen Filmwerken und Laufbildern genießen Leistungsschutz nach §§ 94, 95 UrhG.

2. Eine entsprechend § 24 Abs. 1 UrhG zulässige freie Benutzung fremder Laufbilder setzt voraus, dass ein selbständiges Werk geschaffen wird.

3. Ein Geschehen, bei dem es der Öffentlichkeit nicht auf eine aktuelle Berichterstattung ankommt, ist kein Tagesereignis im Sinne des § 50 UrhG.

4. Ein Zitat ist nach § 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen der zitierten Stelle und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird.

BGH, Urt. v. 20. Dezember 2007 - I ZR 42/05 (OLG Frankfurt am Main) - TV-Total = GRUR 2008, 693

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