Einstweilige Verfügung im Wettbewerbsrecht, § 12 Abs. 1 UWG

Einstweilige VerfuegungEinstweilige Verfügungen im Wettbewerbsrecht weisen verschiedene Besonderheiten auf, welche nachfolgend dargestellt werden. Zentrale Besonderheit ist die widerlegliche Vermutung der Dringlichkeit, vgl. § 12 Abs. 1 UWG. In diesem Zusammenhang existieren verschiedene praxisrelevante Möglichkeiten, die Vermutung der Dringlichkeit zu widerlegen. Gelingt die Widerlegung, wird die einstweilige Verfügung alleine wegen fehlender Dringlichkeit zurückgewiesen. Eine Entscheidung über den eigentlichen (Verfügungs-) Anspruch erfolgt nicht.

Übersicht

Bei der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsrecht sind zunächst die allgemeinen Regeln einer einstweiligen Verfügung gem. § 935 ZPO und des i.d.R. erforderlichen vorangehenden das Abmahnverfahrens zu beachten.

Darüber hinaus kommt im Wettbewerbsrecht der § 12 UWG als spezielle Regelung hinzu. § 12 Abs. 1 a.F. wurde mit der Gesetzesänderung zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 02.12.2020 in den § 13 Abs. 1 UWG verschoben. Die Absätze 2-4 a.F. wurden in Abs. 1-4 umbenannt. 

Verfügungsanspruch

Verfügungsanspruch im UWG ist ganz überwiegend der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 Var. 2 UWG.

Verfügungsgrund / Dringlichkeit

Unterschiede zur einstweiligen Verfügung außerhalb des UWG bestehen nach § 12 Abs. 1 UWG insbesondere bezogen auf den Verfügungsgrund. Während bei der außerhalb des UWG angewandten einstweiligen Verfügung regelmäßig die objektive Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) vom Antragsteller nach §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO begründet werden muss, wird diese nach § 12 Abs. 1 im Wettbewerbsrecht widerleglich vermutet.[1]Bestehen indes Gründe, die diese Vermutung erschüttern, so liegt die Beweislast bei dem Antragssteller. Widerlegt ist die Dringlichkeitsvermutung, wenn der Antragssteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es "ihm nicht eilig ist". 

Widerlegung der Dringlichkeit

Wesentliche Gründe, die die Dringlichkeitsvermutung widerlegen können, sind insbesondere : 

  • Ablauf der Dringlichkeitsfrist
  • Änderung des Streitgegenstands im laufenden Verfügungsverfahren 
  • Verlängerung von Fristen 
  • Antrag auf Terminverlegung 
  • Unterbliebene Geltendmachung eines kerngleichen Unterlassungsanspruchs in der Vergangenheit  

Wird nach Verstreichen der Dringlichkeitsfrist der Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, so ist die Dringlichkeitsvermutung grundsätzlich widerlegt. Die Dringlichkeitsfrist beschreibt den Zeitraum zwischen Kenntniserlangung von dem Verstoß und der rechtswidrig handelnden Person und dem Zeitpunkt, zu dem keine Dringlichkeit mehr vorliegt. Grobe Fahrlässigkeit der Unkenntnis wird der Kenntnis gleichgestellt. Die Dringlichkeitsfrist ist nicht gesetzlich geregelt sondern von der Rechtsprechung entwickelt. Sie beträgt regelmäßig einen Monat, wobei Gerichte hiervon auch abweichen. Es empfiehlt sich insoweit immer, die mit einer einstweiligen Verfügung verfolgten Ansprüche möglichst frühzeitig geltend zu machen.

Wird während des Verfügungsverfahrens der Streitgegenstand geändert, kann dies die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 entfallen lassen.

Ein Firstverlängerungsantrag im Verfügungsverfahren kann dazu führen, dass die Dringlichkeit vom Gericht als widerlegt angesehen wird. Das Ausreizen der vorgesehenen Begründungsfrist hingegen ist kein Grund die Dringlichkeit zu verneinen. 

Ebenso dringlichkeitsschädlich ist es, wenn für eine anberaumte mündliche Verhandlung ein Antrag auf Terminverlegung gestellt wird. Auch wenn dem Antrag seitens des Gerichts nicht stattgegeben wird, kann die Dringlichkeit schon mit Antragsstellung entfallen.

Wurde bereits in der Vergangenheit ein Wettbewerbsverstoß gegen den Antragssteller begangen und ist dieser kerngleich zu dem in der aktuellen einstweiligen Verfügung, so spricht das ebenfalls gegen die Dringlichkeit, falls der Anspruchsberechtigte einen ihm zustehenden Unterlassungsanspruch nicht schon gegen diesen früheren Verstoß geltend gemacht hat.


[1] OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2021 – 4 U 57/21

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