Kartellrechtliche Spürbarkeit

Die kartellrechtliche Spürbarkeit ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Die Spürbarkeit ist Voraussetzung, um einen Kartellverstoß annehmen zu können.

Begriff der Spürbarkeit

Nach der Rechtsprechung des EuGHs liegt ein kartellrechtswidriger (Marken-) Vertrag nur vor, wenn sowohl 

spürbar ist.

Ob eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, muss im jeweiligen Einzelfall individuell entschieden werden. 

Die Rechtsprechung des EuGHs macht für die Vertragspraxis bisher keine verbindlichen Vorgaben. Die Rechtsprechung lässt sich aber wohl dahingehend eingrenzen, dass der EuGH die Spürbarkeit bei Marktanteilen über 5 % bejaht und bei Marktanteilen unter 1 % verneint[3].

Mögliche Spürbarkeitsschwellen

Eine weitere Orientierung bei der Ermittlung der Spürbarkeitsschwelle kann ggf. anhand der Bagatellbekanntmachung der Kommission vom 30.08.2018 (2014/С 291/01) erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass die Bagatellbekanntmachung eine Bindungswirkung nur im Verwaltungsverfahren hat. Der EuGH und die Gerichte der Mitgliedstaaten sind an diese Vorgaben nicht gebunden und können abweichende Entscheidungen zu den Spürbarkeitsschwellen treffen.

Nach Rn. 8 der Bagatellbekanntmachung gilt eine Bagatellgrenze für horizontale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen von 10 % des gemeinsamen Marktanteils der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen. Bei vertikalen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen gilt eine Bagatellgrenze von 15 % Marktanteil für jedes Unternehmen, welches an der Vereinbarung beteiligt ist.  

Bei Markenlizenzverträgen kann die Einordnung in das Schema von horizontalen und vertikalen Vereinbarungen ggf. schwierig sein, da die Wettbewerbereigenschaft der Vertragsparteien nicht immer ganz eindeutig festzustellen ist. In diesen Zweifelsfällen ist unter Anwendung der Ziff. 9 der Bagatellbekanntmachung auf die 10%-Schwelle abzustellen.

Auch wenn die Spürbarkeit unterhalb der vorgenannten prozentualen Schwellen liegt, kann diese nach Rn. 13 der Bagatellbekanntmachung ausnahmsweise doch vorliegen, falls sog. Kernbeschränkungen von der Vereinbarung betroffen sind. Die Bagatellbekanntmachung benennt exemplarisch folgende Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern:

  • die Festsetzung der Preise beim Verkauf von Produkten an Dritte, 
  • die Beschränkung der Produktion oder des Absatzes oder 
  • die Zuweisung von Märkten oder Kundengruppen.

Die Spürbarkeit der zu erwartenden Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kann ergänzend unter Rückgriff auf die Leitlinien der Kommission zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels vom 27.04.2004 (2004/C 101/07) ermittelt werden. Zu berücksichtigen ist auch hier, dass eine Bindungswirkung nur im Verwaltungsverfahren besteht.

Nach Rn. 53 der Leitlinie sind vertikale Vereinbarungen, dann für den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar, wenn der Marktanteil der Parteien den Schwellenwert von 5 % des gemeinsamen Marktanteils der Parteien unterschreitet und der Umsatz der Unternehmen mit den von der Vereinbarung erfassten Waren 40 Mio. EUR nicht übersteigt.


[3] Vgl. Fezer, Niebel, Hdb. Markenrecht, 3. Aufl. 2016 *), II 1 C, Rn. 203. 

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