Entstellungsschutz, § 14 UrhG

In § 14 UrhG ist der Schutz vor Entstellung des Werkes geregelt. Danach hat der Urheber das Recht, die Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

Übersicht zum Entstellungsschutz

Das Gesetz unterscheidet in § 14 UrhG zwischen Entstellungen und anderen Beeinträchtigungen. Dies ist Ausdruck des Schutzes des Interesses des Urhebers an Bestand und Integrität des Werkes. Bei der Frage, ob eine Entstellung  / Beeinträchtigung vorliegt ist in drei Stufen vorzugehen. Zunächst ist das Vorliegen einer Entstellung oder Beeinträchtigung zu prüfen. Alsdann ist zu untersuchen, ob diese geeignet ist, die Interessen des Urhebers zu beeinträchtigen um auf der dritten Stufe eine Interessenabwägung vorzunehmen. Zusammenfassend:

  1. Entstellung oder Beeinträchtigung
  2. Eignung zur Interessensgefährdung
  3. Interessensabwägung

Entstellung oder Beeinträchtigung

Eine Beeinträchtigung ist zunächst eine Verschlechterung oder Abwertung des Werkes. Eine solche Verschlechterung kann bereits in der bloßen Abweichung vom geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Werkes in den Augen eines unvoreingenommenen Durchschnittsbetrachters liegen.

Beispiel: Der Architekt des Berliner Hauptbahnhofs hatte in den Untergeschossen eine aufwendige Deckenkonstruktion vorgesehen, die in geschwungenen Bögen an Sakralbauten erinnert. Nachträglich änderte die Bauherrin den Entwurf eigenmächtig und gegen den Widerspruch des Architekten ab, um Kosten zu sparen. Realisiert wurden einfach gehaltene, flache Decken. Eine Beeinträchtigung des ursprünglich geplanten Werkes liegt vor.

Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst das Werk in der ihm vom Urheber verliehenen (bestmöglichen) Gestalt. Daraus folgt, dass auch eine etwaige Verbesserung eine Beeinträchtigung darstellen kann. Besonders anschaulich wird dies in der bekannten Sirenenentscheidung.

Beispiel: Der Eigentümer eines Hauses beauftragte einen Künstler mit der Fertigung eines Treppengemäldes. Er schuf ein Felseneiland auf dem unbekleidete Sirenen zu sehen waren. Dies wurde als anstößig empfunden. So beauftragte der Hauseigentümer einen weiteren Maler mit der „Bekleidung" der Nacktheiten. In dieser Maßnahme sah das Reichsgericht eine unberechtigte Entstellung.

Daraus ergibt sich, dass jede objektiv nachweisbare Änderung des vom Urheber geschaffenen geistig-ästhetischen Gesamteindrucks des Werkes zu dessen Beeinträchtigung führt. Eine Entstellung des Werkes lässt sich somit als besonders schwerwiegende Beeinträchtigung verstehen. Entstellungen sind etwa Verfälschungen und Verzerrungen bestimmter Wesenszüge des Werkes.

Eine Entstellung ist nicht nur, wie im obigen Beispiel direkt, sondern auch indirekt möglich. Eine indirekte Entstellung des Werkes liegt vor, wenn kein Eingriff in die Substanz des Werkes gegeben ist, sondern das Werk in einen bestimmten Sachzusammenhang gebracht wird, der sich auf das Werk auswirkt.

Beispiel: Ein Aktgemälde wird auf einer Pornographie-Messe zur Schau gestellt.

Ein solcher indirekter Eingriff kann bei dem bloßen Zeigen von bestimmten Ausschnitten, bei der Auswahl einzelner Musiktitel für Sampler oder Aufteilungen eines Werkes für Fernsehsendungen vorliegen.

Beispiel: Ein Titel des Musikers DJ Ötzi wird auf dem Volksmusik-Sampler „Die lustigen Musikanten" veröffentlicht.

Abschließend lässt sich das Vorliegen eines indirekten Eingriffs nicht beurteilen. Es kommt stets darauf an, dass der geistige Gehalt des Werkes beeinträchtigt wird.

Eignung zur Interessensgefährdung

Liegt eine Entstellung vor, so muss diese geeignet sein, die Interessen des Urhebers zu beeinträchtigen. Diese Eignung wird angesichts des Interesses des Urhebers an der Integrität des Werkes bereits indiziert. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass die Entstellung geeignet ist, die geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers durch die Entstellung beeinträchtigt werden können.

Diese Indizwirkung entfällt, wenn der Urheber durch eine Änderungsvereinbarung zu erkennen gegeben hat, dass ihm an der ursprünglichen Form nichts liegt, § 39 Abs. 1 UrhG. Ferner sind solche Änderungen zulässig, zu denen der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben (§ 39 Abs. 2 UrhG) nicht versagen kann.

Beispiel: Unwesentliche, oder verkehrsübliche Änderungen des Werkes. Berichtigung von Schreibfehlern, Kürzungen und Änderungen bei Zeitschriftenaufsätzen in unwesentlichem Umfang.

Interessensabwägung

Im dritten Schritt der Prüfung des § 14 UrhG ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hier wird deutlich, dass es sich bei Urheberrechten um geistige Rechte handelt, da die Interessen des Urhebers mit den Interessen des Eigentümers, die nicht notwendigerweise identisch sein müssen kollidieren.

Dabei bleiben übertriebene Empfindlichkeiten des Urhebers oder seine übersteigerte Eitelkeit von vornherein außer Betracht. Ob die Interessen des Urhebers oder die des Eigentümers oder Verwerters überwiegen, ist stets im Einzelfall festzustellen und lässt sich nicht pauschal sagen. Wichtige Kriterien ergeben sich zum einen aus Art und Intensität eines Eingriffes. Je gewichtiger der Eingriff, desto schwerer wiegen die Interessen des Urhebers an einem Entstellungsschutz. Dies kann sogar so weit gehen, dass der Urheber durch die Präsentation seines Werkes in einer bestimmten Art und Weise in seiner Menschenwürde verletzt wird. Andererseits können bestimmte sachgerechte Änderungen vom Urheber hinzunehmen sein. Ein weiteres Kriterium stellt der Grad der schöpferischen Eigenart dar, der künstlerische Anspruch des Werkes, die Frage ob der Künstler und die Öffentlichkeit die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Änderung hatte.

Beispiel: Ein Architekt schafft ein besonders anspruchsvolles Schulgebäude mit hohem künstlerischem Anspruch. Die tragenden Säulen sind aus Gips, was der Architekt als "Protest gegen die Schwerkraft "verstanden wissen will. Alsbald stellt sich jedoch heraus, dass das Gebäude einzustürzen droht. Lässt nun der Bauherr die Säulen ersetzen oder baut er ein tragendes Gerüst um die Säulen herum, so dass diese nicht mehr zu sehen sind, so überwiegen seine Interessen am Erhalt der Integrität seines Gebäudes.

Umgekehrt hat der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte auch auf die Interessen des Urhebers Rücksicht zu nehmen. Er kann bei seinen Änderungen nicht nach belieben vorgehen, sondern muss diese sachgerecht und für den Urheber zumutbar gestalten.

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