Schätzung Statistik
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Betriebsprüferin schätzt unberechtigt über 500.000 EUR hinzu

Der Pflegedienst unserer Mandantin war Gegenstand einer Außenprüfung / Betriebsprüfung. Sehr frühzeitig brachte die Betriebsprüferin den (unbegründeten) Verdacht auf, dass unsere Mandantin nicht alle Einkünfte versteuert hätte. Woher dieser unbegründete Verdacht der Prüferin kam, konnte bis zum Abschluss des Verfahrens nicht geklärt werden. Eine nachvollziehbare Begründung blieb die Betriebsprüferin bis zuletzt schuldig. Gesprächsangebote unserer Mandantin lehnte die Prüferin im Wesentlichen ab. Stattdessen nahm sie in ihrem Prüfungsbericht eine Schätzung von Mehreinnahmen von über 500.000 EUR vor, welcher in der Folge zu entsprechenden hohen Steuernachforderungen des Finanzamts führten. Nach intensiver Beschäftigung mit den Details der Abrechnungspraxis bei unserer Mandantin, einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit dem zuständigen Finanzamt sowie nach erfolgreicher Anrufung des Finanzgerichts im AdV-Verfahren konnten wir im Einspruchsverfahren die Steuerforderungen für unsere Mandantin in voller Höhe erfolgreich abwehren. Die Einspruchsentscheidung korrigierte die verfehlte Auffassung der Betriebsprüferin vollständig. Wir konnten im Einspruchsverfahren erfolgreich nachweisen, dass die von der Betriebsprüfung vorgenommene Schätzung rechtswidrig war.

Rechtswidrige Schätzung

Trotz ordnungsgemäßer Buchführung unserer Mandantin - was als solches regelmäßig eine Schätzung bereits unzulässig macht - vetrat die Betriebsprüferin in der Betriebsprüfung ohne jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkt die Auffassung, dass noch weitere Einkünfte vorhanden sein müssten. Sie verschaffte sich sodann hinter dem Rücken unserer Mandantin und unter unter Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AO beim von unserer Mandantin beauftragten Abrechnungsdienst verschiedene Daten. Es handelte sich dabei um statistische Prognosedaten, letztlich also um Schätzungen des Abrechnungsunternehmens. Allein auf dieser Grundlage meinte die Prüferin den Nachweis geführt zu haben, dass Mehreinkünfte existierten. Sie verwendete die Daten zugleich auch dafür, die Höhe der Mehreinnahmen zu bestimmen, nämlich in voller Höhe der Prognosedaten. Die Betriebsprüferin schätzte also auf der Grundlage einer Schätzung und nahm die Schätzung wiederum als Grundlage der Schätzung...

Einspruchsverfahren und Aussetzung der Vollziehung

Wir hatten sodann im Einspruchsverfahren einige Mühe und mussten mit verhältnismäßig großem Aufwand der Rechtsbehelsstelle die Abrechungspraxis erläutern. Es dauerte einige Zeit, bis wir die Rechtsbehelfsstelle des zuständigen Finanzamts überzeugen konnten, dass die Betriebsprüferin eine Schätzung auf der Grundlage einer Schätzung vorgenommen hat und eine solche selbstverständlich unter verschiedenen Gesichtspunkten rechtswidrig ist. Dies gelang letztlich erst, nachdem wir beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg erfolgreich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hatten. Das Finanzgericht folgte unserer Rechtsauffassung uneingeschränkt und hat die Vollziehung der streitgegenständlichen Bescheide mit Beschluss vom 25.09.2019, 7 V 7130/19 mit folgender Begründung ausgesetzt: 

"Soweit der Antragsgegner die Gewinne ausgehend von sog. Abrechnungen des Abrechnungsunternehmens erhöht hat, gibt es dafür nach der gebotenen summarischen Prüfung keine tatsächliche Grundlage.

(1) Einen Anlass für eine Schätzung gemäß § 162 AO hat der Antragsgegner nicht dargelegt. Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, dass die Buchführung der Antragstellerin formell mangelhaft wäre.

(2) Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die vorliegenden Unterlagen Anlass gäben, die materielle Richtigkeit der Buchführung anzuzweifeln.

Der Antragsgegner behauptet zwar, die von der Prüferin zur Grundlage ihrer Feststellungen gemachten Ausdrucke des Abrechnungsunternehmens stellten Abrechnungen dar, erläutert jedoch nicht, warum diese von einem professionellen Abrechnungsunternehmen mit ,,Positionsstatistik kumulativ" überschrieben worden sein sollen. Dies entspricht nicht den Abrechnungen von Abrechnungsunternehmen, die dem erkennenden Senat aus anderen Verfahren bekannt sind. Die ihm dort bekannt gewordenen Abrechnungen entsprechen in etwa dem von der Antragstellerin vorgelegten Beispiel (Anlage Ast 16 zum Schriftsatz vom 23.09.2019). Unerörtert bleibt auch, wie die Antragstellerin die hinzugerechneten Beträge vereinnahmt haben soll. Da die Prüferin die Beträge als Entnahmen behandelt hat, müsste die Antragstellerin sie außerhalb der Buchführung vereinnahmt haben, ohne dass erkennbar wird, wie das geschehen sein soll. Denn professionelle Abrechnungsunternehmen zahlen üblicherweise den Forderungssaldo ihrer Kunden nicht bar aus. Schließlich hat der Antragsgegner auch nicht die Einwände der Antragstellerin widerlegt, dass die abgerechneten Beträge um die Marge des Abrechnungsunternehmens gekürzt worden seien (was den Erkenntnissen des Gerichts aus anderen Verfahren entspricht) und dass Abrechnungen von den Kostenträgern gekürzt worden seien (was nicht unwahrscheinlich erscheint)."

Erfolgreicher Verfahrensabschluss

Im Einspruchsverfahren wurden die rechtswidrigen Steuerbescheide schließlich korrigiert. Unsere Mandantin musste kein weiteres zeit- und kostenintensives Klageverfahren vor dem Finanzgericht in der Hauptsache führen und konnte im Ergebnis Zahlungen von ca. 250.000 EUR wegen unberechtigter Steuern und Nebenforderungen vermeiden.

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