Markenabgrenzung und Kartellrecht

Bei der Formulierung der Verpflichtungen der Parteien einer Abgrenzungsvereinbarung sind kartellrechtliche Gesichtspunkte besonders sorgfältig zu beachten. Verstöße gegen kartellrechtliche Vorgaben können insbesondere zur Nichtigkeit der Abgrenzungsvereinbarung gem. § 134 BGB führen. Daneben kommen Schadenersatzansprüche und Bußgelder in Betracht. 

Grundsätzlich dürfen Abgrenzungsvereinbarungen nicht zu einer Marktaufteilung führen. Eine Abgrenzungsvereinbarung ist kartellrechtlich nur zulässig, wenn ihr Regelungsgehalt nur den bestehenden Unterlassungsanspruch des jeweiligen Kennzeichenrechtsinhabers konkretisiert. 

Maßstab hierfür ist, ob ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dem begünstigten Vertragspartner der Abgrenzungsvereinbarung stehe ein entsprechender kennzeichenrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Die Annahme ist dann gerechtfertigt, wenn ernstlich damit zu rechnen ist, dass das umstrittene und in der Abgrenzungsvereinbarung geregelte Marktverhalten gerichtlich untersagt wird.

In der Entscheidung Toltecs/Dorcet[2] hat der EuGH den Grundsatz aufgestellt, dass Abgrenzungsvereinbarungen nur dann als kartellrechtlich unbedenklich angesehen werden, wenn sie dazu dienen, Verwechslungen oder tatsächlich bestehende Kennzeichnungskonflikte zu vermeiden. Echte Kollisionslagen dürfen also durch Abgrenzungsvereinbarungen entschärft werden.  Wenn Abgrenzungsvereinbarungen hingegen lediglich eine Marktaufteilung oder andere Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken, liegt ein Verstoß gegen Art.101 Abs. 1 AEUV vor.

Dogmatischer Ansatzpunkt ist die Immanenzlehre. Soweit der Schutzbereich der betroffenen Kennzeichenrechte reicht, liegt in den Regelungen einer Abgrenzungsvereinbarung von vornherein keine Wettbewerbsbeschränkung i.S. des Art.101 Abs. 1 AEUV. Wenn der Markeninhaber jedoch versucht, den Inhalt der Markenrechte über deren gesetzlichen Inhalt hinaus auszudehnen, handelt es sich um eine tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung, die verboten ist, wenn sie auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des Art.101 AEUV erfüllt und nicht freigestellt ist.

Schwierigkeiten bereiten den Parteien dabei insbesondere die rechtlichen Unsicherheiten bei der Beurteilung eventueller Kollisionen, die gerade durch die Abgrenzungsvereinbarung beseitigt werden soll, um nicht einen Rechtsstreit vor Gericht auszufechten. Zwar haben sowohl die Europäische Kommission als auch der EuGH den Parteien bei der Wahl der tauglichen Mittel der Abgrenzung einen gewissen Beurteilungsspielraum zugebilligt. Die Parteien der Abgrenzungsvereinbarung tragen aber letztlich das volle Risiko der zutreffenden Beurteilung der Rechtslage. Wenn die Vertragsparteien der Abgrenzungsvereinbarung die Rechtslage falsch einschätzen und tatsächlich ein Kartellverstoß vorliegt, treten sämtliche Rechtsfolgen ein.

In der Entscheidung Jette Joop[5] hat der BGH zu den kartellrechtlichen Schranken von Abgrenzungsvereinbarungen für verschiedene Klarstellungen gesorgt. Abgrenzungsvereinbarungen sind danach kartellrechtlich grundsätzlich positiv zu beurteilen sind. Sie beschränken nämlich nicht den Marktzugang an sich, sondern nur die Möglichkeit, mit einer bestimmten Marke zu werben[6].

Abgrenzungsvereinbarungen seien zudem wesentlich dafür, das Wettbewerbspotential zu erschließen, das mit der Zulassung neuer Marken verbunden ist. Denn sie minderten das Risiko aussichtsreicher Widersprüche gegen die entsprechenden Marken erheblich. Damit würden solche Vereinbarungen zugleich der Konflikt- und Prozessvermeidung dienen, die rasch gesicherte Wettbewerbsbedingungen herbeiführe und auch im Interesse einer Entlastung der Justiz wünschenswert sei.

Der BGH lässt es sowohl für das deutsche als auch das europäische Kartellrecht ausreichen, dass die Vertragsparteien es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Kollisionslage für „ernsthaft möglich” halten[7] bzw. dass ein „ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme”[8] besteht, dass eine Kollisionslage existiert. Abgrenzungsvereinbarungen dürfen also nicht nur in eindeutigen Konfliktsituationen abgeschlossen werden, sondern auch bereits dann, wenn ernstliche Zweifel bestehen. Eine objektiv falsche, auf keinen Fall vertretbare Beurteilung der Kennzeichensituation reicht andererseits nicht aus, um Unterlassungspflichten in einem Abgrenzungsvertrag kartellrechtlich zu rechtfertigen.

Wichtig an der Jette Joop-Entscheidung ist auch, dass der BGH für die Beurteilung der Kollisionslage allein auf den Zeitpunktdes Abschlusses der Abgrenzungsvereinbarung abstellt und weder eine spätere Änderung der Grundlage für die Beurteilung einer Kollisionslage[9] noch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Regeln für beachtlich hält[10]. „Mit dem berechtigten Bedürfnis der Vertragsparteien nach Rechtssicherheit bei der Markennutzung wäre es nicht zu vereinbaren, müssten sie ständig anhand der Entwicklung der markenrechtlichen Rechtsprechung überprüfen, ob ihre Vereinbarung weiterhin Bestand hat. Dies würde auch die von den Parteien im Vertrauen auf den Bestand ihrer Vereinbarung getätigten Investitionen entwerten“[11].

Der BGH hat auch grundsätzlich ein schützenswertes Interesse der Parteien anerkannt, eine Abgrenzungsvereinbarung mit einem nicht nur auf das aktuelle Gebiet der Schutzrechte beschränkten Geltungsbereich abzuschließen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Parteien bereits bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigen, ihre internationalen Aktivitäten zu erweitern, ohne sich dabei von vornherein auf bestimmte Staaten beschränken zu wollen. Die Konfliktlage, die bei Abschluss der Vereinbarung aktuell in bestimmten Staaten entweder bereits bestand oder sich erkennbar abzeichnete, kann dann nämlich grundsätzlich auf der ganzen Welt entstehen[12].

Aus kartellrechtlicher Perspektive ist eine Abgrenzungsvereinbarung generell umso eher angreifbar, je umfangreicher diese ausgestaltet ist. Der differenzierten und detaillierten Regelungsmöglichkeiten steht insoweit das erhöhte Risiko einer Unwirksamkeit wegen Verstößen gegen kartellrechtliche Vorgaben gegenüber. Umgekehrt wird die erhöhte kartellrechtsspezifische Rechtssicherheit nur mit dem Verzicht auf z.T. wichtige Regelungskomplexe erreicht.  Nachfolgend werden deshalb unterschiedliche Ansätze vorgestellt. Neben der reinen Abgrenzungsvereinbarung wird die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung dargestellt. Welcher Ansatz oder welche Kombination der Ansätze letztlich umgesetzt wird, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.


[2] Vgl. EuGH, GRUR Int. 1995, 399 - Toltecs/Dorcet.

[5] Vgl. BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641 - Jette Joop.

[6] Vgl. BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 55 - Jette Joop.

[7] BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 29 - Jette Joop.

[8] BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641 Rn. 44 - Jette Joop.

[9] Vgl. BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 22 ff. - Jette Joop.

[10] Vgl. BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 57 ff. - Jette Joop.

[11] BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 60 - Jette Joop.

[12] Vgl. BGH, 07.12.2010, KZR 71/08, GRUR 2011, 641, Rn. 48 - Jette Joop.

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