Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung - typische Regelungen

Typische Regelungen einer Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung sind neben denen der (reinen) Abgrenzungsvereinbarung u.a. die Vorrechtsvereinbarung, Nichtangriffsvereinbarung, Löschung wegen Verfalls, Regelungen zu Rechtsnachfolger, verbundenen Unternehmen und Lizenznehmern und dem geographischer Geltungsbereich und der Geltungsdauer.

Kennzeichen

Für die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung gelten zur Regelung der Kennzeichen / des Sachverhalts die Ausführungen und Beispiele zur Abgrenzungsvereinbarung.

Beschränkungen

Für die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung gelten zur Regelung der Beschränkungen die Ausführungen und Beispiele zur Abgrenzungsvereinbarung.

Vorrechtsvereinbarung

Durch eine sog. Vorrechtsvereinbarung sichert sich der Inhaber der älteren Kennzeichenrechte dagegen ab, dass ihm bei künftigen Markenanmeldungen die zunächst jüngere Marke des Anmelders als dann älteres Recht entgegensteht.  

Mit der Regelung einer Vorrechtsvereinbarung verpflichtet sich der Anmelder, seinerseits nicht gegen den Inhaber der prioritätsälteren Rechte vorzugehen. Praktischer Anwendungsbereich sind etwa Situationen, in denen der Inhaber der prioritätsälteren Rechte zukünftig sein Markenportfolio erweitern und hierbei Neueintragungen vornehmen möchte, welche Auswirkung auf die mit der Abgrenzungsvereinbarung geregelten Markenkonstellation haben kann. Hierbei kann sich der Anmelder verpflichten, aus seiner Eintragung nicht gegen bestehende Eintragungen oder etwaige Neueintragungen des Altinhabers vorzugehen.

Neueintragungen des (bisherigen) Altinhabers wären prioritätsjünger als die Kennzeichenrechte des (derzeit noch) prioritätsjüngeren Anmelders. Sollte tatsächlich eine Verwechslungsgefahr bestehen, könnte der neueintragende Anmelder grundsätzlich gegen (weitere, noch spätere) Neuanmeldungen des Altinhabers Widerspruch einlegen. Dies gilt es mit der genannten Regelung einer Vorrechtsvereinbarung zu verhindern. Den größtmöglichen Spielraum erhält der Altinhaber dabei dadurch, dass er auch zu seinen Zeichen verwechselbar ähnliche Bezeichnungen neu anmelden bzw. eintragen darf und nur die Anmeldung bzw. Eintragung identischer Zeichen verboten wird.

Vorrechtsvereinbarungen sind (wie auch Nichtangriffsverpflichtungen, s.u.) für den jeweiligen Einzelfall kritisch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Insbesondere ein Verzicht auf die Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse sollte bei der Vertragsgestaltung vermieden werden, da entsprechende Klauseln kartellrechtswidrig sein können.[1]

Beispiel:

§ 3 Vorrechtsvereinbarung

Der Anmelder verpflichtet sich, weder aus der Eintragung noch aus der Benutzung seiner in § 1 genannten Marken Rechte gegen die Marken des Inhabers herzuleiten. Insbesondere wird der Anmelder Neueintragungen der Marke oder sonstige Kennzeichen des Inhabers und Eintragungen ähnlicher Marken dulden, mit Ausnahme solcher Marken, die mit der angemeldeten Marke identisch sind. 

Ausschluss des Widerspruchs

Für die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung gelten zur Regelung des Ausschlusses des Widerspruchs die Ausführungen und Beispiele zur Abgrenzungsvereinbarung.

Nichtangriff

Mit Nichtangriffsabrede wird als terminus technicus die Verpflichtung des Inhabers der älteren Kennzeichenrechte bezeichnet, die Eintragung und eventuelle Benutzung der jüngeren Marke zu dulden.[2] Eine Nichtangriffsverpflichtung steht spiegelbildlich zur Vorrechtsvereinbarung (s.o.).

Durch die Nichtangriffsabrede verpflichtet sich der Inhaber der älteren Kennzeichenrechte, die jüngere Marke in dem vereinbarungsgemäß beschränkten Umfang nicht anzugreifen und nicht gegen deren Benutzung vorzugehen.

Beispiel:

§ 5 Nichtangriff 

1. Der Inhaber wird die in § 1 genannte und nach § 2 beschränkte Eintragung des Anmelders und die identischen Folgeanmeldungen nicht angreifen, insbesondere nicht deren Löschung wegen älterer Rechte betreiben. 

2. Der Inhaber wird gegen die Benutzung der in § 1 genannten Kennzeichen des Anmelders unter Berücksichtigung der in § 2 genannten Beschränkungen keine Rechte herleiten. 

Die Wirksamkeit von Nichtangriffsabreden nach §§ 134, 138 BGB wegen Verstößen gegen gesetzliche Verbote oder Sittenwidrigkeit im Allgemeinen ist umstritten[3], wird jedoch überwiegend und insbesondere auch von BGH[4] und bisher vom EuGH[5] bejaht. 

Unabhängig hiervon müssen etwaige Kartellrechtsverstöße und eine daraus resultierende Unwirksamkeit im Einzelfall individuell geprüft werden. „Auf Marken bezogene Nichtangriffsabreden können [...] wegen Verstoßes gegen § 1 GWB oder Art. 101 I AEUV nach § 134 BGB nichtig sein“[7].

Der teilweise zur Bestimmung der Wirksamkeit vorgenommenen Differenzierung zwischen absoluten und relativen Schutzhindernissen[8] folgt der BGH weder im Allgemeinen[9] noch im besonderen Kontext des Kartellrechts[10]. Nach Ansicht des BGH können Nichtangriffsabreden sowohl bezogen auf absolute als auch auf relative Schutzhindernisse wirksam sein.

Löschung wegen Verfalls

Mit Blick auf die (u.a.) strittige Wirksamkeit eines Ausschlusses des Verfallsgrund der Nichtbenutzung nach § 49 MarkenG und Art. 58 UMV kann die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung eine klarstellende Regelung enthalten, dass entsprechende Verfallsanträge beider Parteien möglich sein sollen. Das Risiko einer entsprechenden Unwirksamkeit wird durch eine solche Regelung reduziert.

Gleichzeitig kann und sollte für den Fall, dass eine Partei von ihren diesbezüglichen Rechten Gebrauch macht, geregelt werden, dass die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung im Übrigen unberührt bleibt, insbesondere deshalb keine Kündigungsgründe bestehen.

Beispiel:

§ 6 Löschung wegen Verfalls

Beiden Parteien steht es frei, die Löschung der Marken der jeweils anderen Partei wegen Verfalls nach § 49 MarkenG / Art. 58 UMV zu betreiben. In diesem Fall kann keine der Parteien diese Vereinbarung kündigen. Die Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung bestehen auch nach der Löschung einer Marke wegen Verfalls uneingeschränkt fort.

Rechtsnachfolge, verbundenen Unternehmen, Lizenznehmer

Die Abgrenzungsvereinbarung begründet nur schuldrechtliche Pflichten zwischen den Vertragsparteien. Wird ein von der Abgrenzungsvereinbarung betroffenes Recht später rechtsgeschäftlich oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen z.B. gem. §§ 30 Abs. 5, 27 MarkenG übertragen, gehen die schuldrechtlichen Verpflichtungen aus der Abgrenzungsvereinbarung nicht ohne weiteres auf den Rechtsnachfolger über[11]. Vor diesem Hintergrund sollte die Abgrenzungsvereinbarung eine allgemeine Rechtsnachfolgeklausel enthalten. Mit dieser werden beide Parteien verpflichtet, die Regelungen der Abgrenzungsvereinbarung auch Ihren Rechtsnachfolgern aufzuerlegen.

In bestimmten Fällen kann sich ein Übergang der Pflichten aus der Abgrenzungsvereinbarung auch aus gesetzlichen Regelungen ergeben. Dies betrifft insbesondere die handelsrechtlichen Vorschriften der aus §§ 25, 26, 27, 28 HGB bei Firmenfortführung, Geschäftsfortführung durch den Erben oder des Eintritts in ein Geschäft eines Einzelkaufmanns.

Sinnvoll kann daneben bei Bedarf eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Abgrenzungsvereinbarung auf verbundene Unternehmen sein. Ein Verweis auf § 15 AktG definiert dabei, welche Unternehmen unter den Begriff des „verbundenen Unternehmens“ fallen sollen. 

Lizenznehmer sollten ebenfalls in den Anwendungsbereich einbezogen werden. Nachdem dies generell unmittelbar zu Lasten Dritter nicht erfolgen kann, ist auch insoweit eine Verpflichtung der Vertragsparteien zu formulieren, wonach diese den Vertragsinhalt der Abgrenzungsvereinbarung ihrerseits ihren Lizenznehmern aufzuerlegen haben.

Um sicherzustellen, dass die jeweilige Vertragspartei für deren Handeln haftet, sollte schließlich geregelt werden, dass den Parteien die Handlungen ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften bzw. Lizenznehmer zugerechnet werden. 

Beispiel:

§ 7 Rechtsnachfolger, verbundenen Unternehmen, Lizenznehmer

1. Die Rechte an dieser Abgrenzungsvereinbarung stehen auch den Rechtsnachfolgern der Vertragsparteien zu. Die Vertragsparteien werden die Verpflichtungen unter dieser Abgrenzungsvereinbarung ihren jeweiligen Rechtsnachfolgern auferlegen. 

2. Die Rechte an dieser Abgrenzungsvereinbarung stehen auch den mit den Vertragsparteien verbundenen Unternehmen im Sinne des deutschen Aktienrechts (§ 15 AktienG) zu. Sollte eine Vertragspartei Mitsprachemöglichkeiten bei jeweils verbundenen Unternehmen im Sinne des deutschen Aktienrechts besitzen, die identische oder ähnliche Marke für dieselben oder gleichartige Waren eingetragen haben und/oder benutzen, wird sie versuchen, deren Zustimmung zur Eintragung und Benutzung der entgegenstehenden Marke nach den Bestimmungen dieser Abgrenzungsvereinbarung zu erlangen. 

3. Außerdem werden die Parteien Lizenznehmern, die identische oder verwechselbar ähnliche Marken oder andere Kennzeichen für dieselben oder gleichartige Waren und/oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrages sind, registriert haben und/oder benutzen, die Verpflichtungen aus diesem Vertrag für die Dauer ihrer Lizenznehmerstellung auferlegen. 

4. Den Parteien sind Handlungen ihrer Tochtergesellschaften und Lizenznehmer zuzurechnen.

Räumliche Geltung

Das Vertragsgebiet sollte möglichst genau bestimmt sein, um einen Verstoß gegen Kartellrecht wegen unzulässiger Gebietsaufteilung zu vermeiden.

Soweit der Prioritätsjüngere im Ausland über ältere Rechte verfügt oder diese erst erwirbt ist zu regeln, welche Rechte dem Altinhaber zustehen. Regelmäßig sollte ihm die Möglichkeit einer Markeneintragung der im Inland bzw. im Vertragsgebiet prioritätsälteren Rechte auch im Ausland ermöglicht werden.

Beispiel:

§ 8 Geographischer Geltungsbereich

1. Diese Vereinbarung gilt in all denjenigen Ländern, in denen sich derzeit oder zukünftig die Rechte der Parteien an den in 149genannten Kennzeichen der gegenüberstehen. 

2. In Ländern, in denen dem Anmelder ältere Rechte zustehen oder von diesem erworben werden, wird der Anmelder dem Inhaber die Eintragung und Benutzung der in 149 genannten Marken des Inhabers gestatten. 

3. Im Fall von Neuregistrierungen verpflichten sich die Parteien, die jeweils andere Partei auf deren Aufforderung und deren Kosten zu unterstützen, insbesondere eventuelle Zustimmungserklärungen abzugeben. Es gelten dabei die in dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen. 

Zeitliche Geltung

Für die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung gelten zur Regelung der zeitlichen Geltung die Ausführungen und Beispiele zur Abgrenzungsvereinbarung.

Kosten

Für die Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung gelten zur Regelung der Kosten die Ausführungen und Beispiele zur Abgrenzungsvereinbarung.


[1] Weitere Einzelheiten: Wolf, Maik, Markenabgrenzungsvereinbarungen, Nichtangriffsverpflichtungen und Vorrechtserklärungen, NZKart 2015, 90. Vgl. auch Fezer, Fammler, Hdb. Markenpraxis, 3. Aufl. 2016, II. 1. A., Rn. 42

[2] Vgl. Fezer, Fammler, Hdb. Markenpraxis, 3. Aufl. 2016, II. 1. A., Rn. 41.

[3] Zum Meinungsstand vgl. etwa BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 28 – 30.

[4] Vgl. BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 30.

[5] Vgl. bisher: EuGH, NJW 1985, 1278 – BAT Cigaretten-Fabriken/Kommission. Eine Entscheidung über die aktuelle Vorlagefrage des BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede steht noch aus.

[6] S. auch E. II. 3. 

[7] BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 31 m.w.N.

[8] Vgl. BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 29 und 31. Vgl. auch Fezer, Fammler, Hdb. Markenpraxis, 3. Aufl. 2016, II. 1. A., Rn. 42 f.

[9] Vgl. BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 30.

[10] Vgl. BGH, 19.11.2020, I ZR 27/19 - Nichtangriffsabrede, Rn. 31.

[11] Vgl. BGH, GRUR 1981, 591 – Gigi Modelle.

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