Gefühlsbezogene Werbung

Gefühlsbezogene Werbung zielt in unterschiedlicher Weise auf die soziale Hilfsbereitschaft, das Mitgefühl, Mitleid etc. der angesprochenen Verbraucher ab. In unterschiedlicher Ausprägung soll diese Empathie für die Absatzinteressen des werbenden Unternehmens genutzt werden. Die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit gefühlsbezogener Werbung ist an § 4a UWG zu messen.

Gefühlsbezogene Werbung ist eine der Fallgruppen der aggressiven geschäftlichen Handlungen des § 4a UWG. Dort fällt die gefühlsbezogene Werbung ggf. in die Gruppe der unzulässigen Beeinflussung nach § 4a Abs. 1 Nr. 3 UWG .

Nach der früheren Rechtsprechung lag eine gefühlsbetonte Werbung vor, wenn der Werbende an die soziale Hilfsbereitschaft, das Mitgefühl oder Mitleid der Verbraucher appelliert und diese Gefühle planmäßig zu Absatzzwecken ausnutzt, ohne dass eine sachlicher Zusammenhang mit den beworbenen Leistungen bestand. Der BGH forderte als Untersagungsvoraussetzung eine „tiefgehende emotionale Einwirkung auf seine Gefühlslage, deren kommerzielle Ausbeutung das Unwerturteil des § 1 UWG rechtfertigen könnte“.[1] Eine weitere Form gefühlsbezogener Werbung stellt die Image- und Aufmerksamkeitswerbung dar, die eine Solidarisierung des Verbrauchers mit dem (scheinbar sozial engagierten) Unternehmen bewirken sollte.[2].

Beide Formen gefühlsbetonter Werbung hatte die Rechtsprechung infolge zweier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts neu zu bewerten.

Das Ansprechen von Gefühlen im Rahmen einer Imagewerbung hat das Verfassungsgericht im Rahmen der genannten Benetton-Entscheidung zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass die allgemeine Imagewerbung, auch in Verbindung mit gesellschaftskritischen oder politischen Aussagen, künftig als grundsätzlich zulässig anzusehen ist. Bei der reinen Imagewerbung ist darüber hinaus zu beachten, dass sie schon aus dem Grund nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG a.F. verstoßen kann, weil es an der Beeinflussung einer konkreten Nachfrageentscheidung fehlt. Daher kann Imagewerbung allenfalls aufgrund zusätzlicher Kriterien oder ihrer konkreten Gestaltung unlauter sein, z.B. Unlauterkeit wegen eines Verstoßes gegen § 4 HWG, da in der Werbung der Name eines Arzneimittels deutlich hervorgehoben war.[3]

Die Werbung mit Appellen an die soziale Verantwortung (im weiteren Sinne) war Gegenstand der Verfassungsgerichtsentscheidung „Tier- und Artenschutz“.[4] Die Entscheidung betraf zwei verbundene Fälle, wobei der erste die Werbung eines Kunstpelzherstellers betraf, der auf seine tierfreundlichen Produkte und die Leiden und das Töten von Pelztieren in der Intensivzucht hinwies. Der zweite Fall betraf die Werbung eines Optikers mit dem Hinweis, dass er eine gemeinnützige „Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V.“ unterstützte. Die Fachgerichte hatten beide Werbungen untersagt, da die Werbung ohne zwingenden Grund Gefühle anspreche und soziales Engagement für kommerzielle Interessen ausnutze.

Das Verfassungsgericht hob beide Entscheidungen auf, da eine Gefährdung des Leistungswettbewerbs durch die Werbung nicht dargelegt und die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit durch die Fachgerichte verkannt worden sei. Das Gericht führt aus, dass „die Marktteilnehmer üblicherweise einer Vielzahl von suggestiven Werbeeinflüssen ausgesetzt sind, ohne dass in diesen eine entsprechende Gefährdung gesehen wird. Ein Großteil heutiger Werbung ist durch das Bestreben gekennzeichnet, durch gefühlsbetonte Motive Aufmerksamkeit zu erregen und Sympathie zu gewinnen. Insbesondere in der Imagewerbung, aber auch in der Produktwerbung, ist dies eine weithin geübte Praxis.“[5] Da es zulässig sei, mit dem „Glanz gesellschaftlicher Prominenz“ oder dem „Versprechen sportlicher Anerkennung“ zu werben, müsse auch das Ansprechen anderer Gefühle zulässig sein. Denn: „Den Bürgern steht es gemäß Art. 2 Abs. 1 GG frei, auf Grund welcher Motive sie am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilhaben. Dementsprechend ist es begründungsbedürftig, Werbung als sittenwidrig einzuordnen, wenn die Anbieter der Leistungen sich nicht nur auf Angaben zu Preis und Qualität beziehen, sondern durch weitere Informationen zum Kauf motivieren wollen. Insofern reicht auch nicht die Feststellung, dass die streitige Werbung vom Verbraucher als anstößig empfunden werde, ohne diese Aussage auf Anhaltspunkte einer dadurch bewirkten tatsächlichen Gefährdung des Leistungswettbewerbs aufzubauen.“[6]

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist die Werbung mit Appellen an das Sozialgefühl der Verbraucher ebenfalls neu zu bewerten und dürfte grundsätzlich zulässig sein. Insbesondere kommt es nicht mehr darauf, dass zwischen dem Werbenden oder seinem Angebot und dem sozialen Engagement ein wie auch immer gearteter sachlicher Zusammenhang besteht. In seiner folgenden Entscheidung hat der BGH unter Hinweis auf das Verfassungsgericht seinen älteren, strengen Standpunkt dann auch ausdrücklich aufgegeben.[7] 

Es war vertreten worden, dass sich bei Werbung mit Apellen an die soziale Verantwortung eine Unlauterkeit daraus ergeben könne, dass unklar bleibt, in welcher Form der Werbende das Versprechen seines sozialen Engagements einlösen wird. So untersagte OLG Hamm die Werbung der Brauerei Krombacher „Mit jeder Kiste Bier schützen Sie einen Quadratmeter afrikanischen Regenwaldes“, weil offen blieb, auf welche Weise dies geschehen sollte.[8] Dem ist der BGH nicht gefolgt. Er hat betont, dass keine allgemeine Pflicht bestehe, über die Art und Weise der Unterstützung zu informieren, da der Gesetzgeber bei der UWG-Reform bewusst darauf verzichtet habe, ein allgemeines Transparenzgebot im Wettbewerbsrecht festzuschreiben.[9] 

Die Grenzen für ein zulässiges Ansprechen von Gefühlen dürften dort liegen, wo aufgrund der Werbung die Rationalität der Verbraucherentscheidung ausgeschaltet ist. Insbesondere auch das in Anh. UWG Nr. 30 enthaltene per-se-Verbot, den Produkterwerb mit dem Erhalt des Arbeitsplatzes oder der Gewährleistung des Lebensunterhalts des Gewerbetreibenden zu verknüpfen ist insoweit zu nennen. Unabhängig davon ist es selbstverständlich unlauter, wenn die Hinweise auf das soziale Engagement oder die besonders art- oder umweltgerechte Herkunft eines Produktes tatsächlich nicht zutreffen. Dies betrifft jedoch nicht die Unsachlichkeit der Werbung, sondern stellt schlicht eine Irreführung im Sinne des § 5 dar.


[1] Vgl. BGH, 09.02.1995, I ZR 44/93, GRUR 1995, 742, 743 – Arbeitsplätze bei uns; BGH, GRUR 1999, 1101, 1102 – Generika-Werbung; BGH, GRUR 1997, 761, 763 – Politikerschelte.

[2] Vgl. BGH, 06.07.1995, I ZR 239/93, GRUR 1995, 598 – Ölverschmutzte Ente.

[3] So z.B. BGH, 15.05.1997, I ZR 10/95, GRUR 1997, 761, 763 – Politikerschelte.

[4] Vgl. BVerfG, 06.02.2002, 1 BvR 952/90,1 BvR 2151/96, GRUR 2002, 455 – Tier- und Artenschutz.

[5] BVerfG, 06.02.2002, 1 BvR 952/90,1 BvR 2151/96, GRUR 2002, 455, 456 – Tier- und Artenschutz.

[6] BVerfG, 06.02.2002, 1 BvR 952/90,1 BvR 2151/96, GRUR 2002, 455, 457 – Tier- und Artenschutz. 

[7] Vgl. BGH, 22.09.2005, I ZR 55/02, GRUR 2006, 75 =  WRP 2006, 67, 69 – Artenschutz

[8] Vgl. OLG Hamm, GRUR 2003, 975.

[9] Vgl. BGH, 26.10.2006, I ZR 33/04, GRUR 2007, 247 ff. – Regenwaldprojekt I; BGH, 26.10.2006, I ZR 97/04, GRUR 2007, 251 ff. – Regenwaldprojekt II.

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