Ausspannen
Eine Behinderung der Mitbewerber durch das Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern ist nach § 4 Nr. 10 UWG unlauter. Man spricht in diesen Fällen vom „Ausspannen". Dass auch hier offenkundig nur bestimmte Ausnahmesituationen erfasst sind, liegt auf der Hand, da das Abwerben von Kunden ebenso zum Kern unseres Wettbewerbssystems gehört, wie die Preisunterbietung.
Ausspannen von Kunden
Treten besondere Umstände hinzu, die den Wettbewerb verfälschen, so ist das grundsätzlich zulässige Abwerben von Kunden unlauter und damit unzulässig. Hierzu zählen die bereits erwähnten Fälle der Kundennötigung. Aber auch andere Fälle sind denkbar, die weit subtiler sind:
Beispiele: Ein Mitarbeiter scheidet aus. Er verschickt an seine Kunden auf offiziellem Briefpapier Abschiedsbriefe und hinterlässt als „Kontaktadresse" seine Privatadresse.
Ist der Kunde vertraglich gebunden, so stellt dessen Abwerben nicht ohne weiteres ein unzulässiges Ausspannen dar. Schließlich gehört es zum Kern des unverfälschten Wettbewerbs, dass die Konkurrenten einen Wettkampf um die Gunst des Verbrauchers mit einem nach Qualität und Preis besseren Angebot führen. An dieser grundlegenden Beurteilung ändert sich nichts, nur weil der Verbraucher vertraglich gebunden ist.
Beispiele: Es ist nicht unlauter dem Kunden bei der Kündigung des Altvertrages Hilfestellung zu leisten.
Unlauter ist es hingegen, wenn der Dritte eine aktive Rolle einnimmt und den Kunden zur vorzeitigen, vertragswidrigen Kündigung an- oder aufstiftet. Eine solche Verleitung zum Vertragsbruch stellt eine unzulässige gegen einen Mitbewerber gerichtete Behinderungshandlung dar. Dies kann jedoch erst angenommen werden, wenn das Unternehmen darauf hinwirkt, dass der Kunde vorzeitig kündigt und etwa Kündigungsfristen nicht einhält. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen davon weiß, dass der Kunde vertraglich gebunden ist, kann ebenso wenig ausreichen, wie die bloße Anfrage, ob der Kunde zu einem Vertragswechsel bereit sei.
In diesem Zusammenhang werden auch zahlreiche Fragen aufgeworfen, die mit dem Internet in Verbindung stehen. Diese betreffen namentlich das Abfangen von Korrespondenz, Nutzung von verwechslungsfähigen Domainnamen oder Telefonnummern, sowie die Nutzung von beschreibenden Second-Level-Domains und Vanity-Rufnummern. Auch die Beeinflussung von Internetsuchmaschinen kann in den Tatbestand der Mitbewerberbehinderung des § 4 Nr. 10 UWG fallen.
Es ist unlauter, geschäftliche Korrespondenz abzufangen oder fehlgeleitete Briefe, Telefonate oder E-Mails zum eigenen geschäftlichen Gebrauch zu nutzen. In engem Zusammenhang mit dieser offensichtlichen Unlauterkeit steht das so genannte „Typosquatting". Dieser Begriff bezeichnet die Praktik, eine Verwechslungsgefahr durch Nutzung täuschend ähnlicher Telefonnummern oder von Internetdomains hervorzurufen. In den meisten Fällen wird hierbei (Domains) zugleich ein Markenrecht verletzt werden, sofern die Domain zugleich als Marke registriert und geschützt ist. Wo dem nicht so ist, hat sich der Fall an § 4 Nr. 10 UWG zu messen. Danach ist die Registrierung eines ähnlichen Begriffs grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern nicht auf Grund der Fallumstände eine gezielte Anlehnung an die Domain eines Konkurrenten nahe liegt.
Beispiele: www.googel.com, www.addidas.de o.ä.
Internetdomains bestehen zumeist aus einer Topleveldomain (.de, .fr, .at.), die länderbezogen oder generisch (.com, .info) gestaltet sein kann und einer Secondleveldomain, die den eigentlich kennzeichnenden Teil bildet. Je allgemeiner die Secondleveldomain gehalten ist, desto eher führt dies zu einer gewissen Kanalisierung der Kundenströme, da User häufig beschreibende Begriffe versuchsweise in die Browserzeile eingeben.
Beispiele: www.fussball.de, www.mietwagen.de, www.mitwohnzentrale.de, www.schluesseldienst.de
Wer solche beschreibenden Begriffe verwendet, handelt zunächst nicht unlauter. Ein solches Verhalten ist alleine auf den eigenen Vorteil gerichtet. Es geht hierbei um das Hinlenken von Kunden, nicht um das Ablenken eben dieser. Wer derartige generische Begriffe als Domain verwendet hat in wettbewerbskonformer Weise schneller gehandelt als seine Konkurrenz.
Das bedeutet jedoch nicht, dass derartige Domains ansonsten wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind. In ihnen kann eine irreführende Alleinstellungsbehauptung liegen, die nach § 5 UWG verboten ist.
Weiterhin sind Domains im Hinblick auf die Beeinflussung von Internet-Suchmaschinen unter dem Gesichtspunkt der Mitbewerberbehinderung relevant. Diese lassen sich auf vielfältige Weise beeinflussen. Möglich ist dies zum einen durch Metatags und durch den Kauf von Listenplätzen. Im Ergebnis erhält der Nutzer einer Suchmaschine auf diese Weise ein Ergebnis, das nicht auf der objektiven Relevanz der Website beruht, was die auf diese Weise „zurückgesetzten" Mitbewerberbehindert, da erfahrungsgemäß häufig nur die ersten 10-20 Treffer aufgerufen werden. Gleichwohl sind die genannten Praktiken nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig.
Beim Verwenden von Metatags, also solchen Teilen von HTML-Elementen im Kopf einer Website, die dem Betrachter verborgen bleiben, die aber gleichwohl von Suchmaschinen erkannt werden ist zwischen der Nutzung beschreibender Begriffe und der Verwendung fremder Kennzeichen zu unterscheiden.
Wie bei der Wahl des Domainnamens auch, ist es nicht unlauter, generische Begriffe als Metatags zu setzen um größere Aufmerksamkeit zu erzielen. Dies gilt sogar dann, wenn sachfremde Metatags verwendet werden, zumal der Internet-Nutzer weiß, dass Suchergebnisse eine zufällige Auswahl darstellen. Doch auch hier wird die Handlung unlauter, wenn ein Unternehmer Metatags so massiv einsetzt, dass Suchmaschinen überflutet werden und auf den ersten Plätzen nur noch Links angezeigt werden, die auf die Website des Unternehmers verweisen (Index-Spamming). Die Nutzung fremder Kennzeichen beurteilt sich in erster Linie nach markenrechtlichen Gesichtspunkten.
Auch beim Kauf von Listenplätzen liegt keine Behinderung vor, solange der Umstand, dass für die Platzierung Geld gezahlt wurde kenntlich gemacht wurde. Im Übrigen werden Mitbewerber hierdurch nicht behindert.
Ausspannen von Arbeitnehmern
Lange umstritten war die Praxis gewerbsmäßiger Personalberater ("Headhunter"), Arbeitnehmer am Arbeitsplatz telefonisch anzusprechen. Nach der Leitentscheidung des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, 17.12.1999, 2 U 133/99, "Headhunter", GRUR 2000, 1096,1097f) ist nunmehr geklärt, dass die erste telefonische Kontaktaufnahme, bei der ein Mitarbeiter nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt wird, diese kurz beschrieben wird sowie gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens besprochen wird nicht wettbewerbswidrig ist. Darüber hinausgehende Gespräche mit dem Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz sind hingegen unlauter. Der Grund hierfür kann unter anderem darin erblickt werden, dass der Anrufer sich des Telefonsystems des Betroffenen bedient und der Abzuwerbende während des Gesprächs nicht zur Verfügung steht.